Melanchthons Frühwerk und die prägende Rolle seiner Studienstadt Tübingen sind bisher kaum wissenschaftlich untersucht worden. Eine Ausstellung im Tübinger Stadtmuseum zum 450. Todestag Melanchthons beleuchtet jetzt genau diese Aspekte. Sie ist noch bis zum 18. Juli zu sehen.
Der bedeutende Humanist und Reformator Philipp Melanchthon (1497-1560) war ab 1512 Mitglied der Universität Tübingen, studierte dort zunächst und begann bald darauf als 17-Jähriger auch zu lehren. Bevor er 1518 einer Berufung an die Universität Wittenberg folgte, legte er bereits in seiner Heimat den Grundstein eines bildungsreformerischen Programms. Seine Forderungen, sich die ethischen Ideale der großen klassischen Denker anzueignen, dadurch die kulturelle Wüste des Mittelalters zu überwinden und mittels Bildung ein Gott und den Menschen gefälliges Leben zu führen, brachten Melanchthon in der Folge den Ruf als "Praeceptor Germaniae", also als "Lehrer Deutschlands" ein.
Zum 450. Todestag von Philipp Melanchthon am 19. April zeigt das Stadtmuseum Tübingen bis zum 18. Juli 2010 die Ausstellung "Vom Schüler der Burse zum 'Lehrer Deutschlands' – Philipp Melanchthon in Tübingen". Die Ausstellung ist ein Kooperationsprojekt des Museums der Universität (MUT), der Evangelisch-Theologischen Fakultät, des Instituts für Geschichtliche Landeskunde und des Stadtmuseums Tübingen. Mit der Ausstellung wird an die Tübinger Zeit des großen Humanisten und Reformators erinnert.
Erstaunlicherweise ist Melanchthons Frühwerk und die prägende Rolle seiner Studienstadt Tübingen bisher kaum wissenschaftlich erarbeitet worden, geschweige denn ins öffentliche Bewusstsein gedrungen. Diese Lücke soll mit der Ausstellung geschlossen werden. Sie zeigt die Tübinger Universität zu Anfang des 16. Jahrhunderts, eingebunden in die Stadt Tübingen und in das Herzogtum Württemberg, als den intellektuellen und politischen Hintergrund, vor dem Melanchthon bereits zu diesem frühen Zeitpunkt vielfältig wirkte. Dabei war der Humanist noch nicht der spätere Reformator oder Theologe, sondern vor allem Philologe, der unter anderem eine griechische Grammatik erstellte. Neben Handschriften und frühen Drucken sind auch Porträts, Skulpturen, Graphiken und Universitätsinsignien in der Ausstellung zu sehen. Die Besucherinnen und Besucher sollen nicht nur Einblick in Melanchthons Frühwerk als Autor, Dozent und Druckerei-Mitarbeiter, sondern auch in die Anfänge des deutschen Humanismus in Stadt und Universität Tübingen im 16. Jahrhundert erhalten.
Zur inhaltlichen Vertiefung und als bleibende wissenschaftliche Grundlage ist zur Ausstellung ein Begleitband erschienen, der erstmals Melanchthons Tübinger Zeit und Wirken näher beleuchtet. Autoren sind unter anderen die renommierten Frühneuzeit- und Kirchenhistoriker Ulrich Köpf, Sönke Lorenz, Günther Frank und Karin Reich.
Dr. Ernst Seidl
Stadtmuseum Tübingen
Tel.: 07071/204-1711
www.tuebingen.de/stadtmuseum
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 11:00–17:00 Uhr
Der 212-seitige Katalog kostet in der Ausstellung 19,80 €.
Eine Vorlesungsreihe im Rahmen des Studium Generale-Programms an der Universität Tübingen im Sommersemester 2010 begleitet die Ausstellung. Termine jeweils montags um 20.15 Uhr im Hörsaal 22 des Kupferbaus.
Service: Beitrag des Uniradios zum 450. Todestag von Philipp Melanchthon