Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 3/2011: Forschung
Supersymmetrie - Durchbruch oder Ende?
Der Physiker Herbert Dreiner hielt die Kepler-Vorlesung 2011
Die Keplervorlesung, der Höhepunkt des akademischen Jahres im Fachbereich Physik an der Universität Tübingen, wurde in diesem Jahr von Professor Dr. Herbert Dreiner von der Universität Bonn zum Thema "Supersymmetrie" gehalten. Dreiner ist einer der führenden Theoretiker in der Elementarteilchenphysik.
Alle uns bekannten Elementarteilchen besitzen einen Eigendrehimpuls, den sogenannten "Spin". Dabei tragen Teilchen, aus denen die Materie um uns herum aufgebaut ist, einen halbzahligen Spin, die Träger der Kräfte zwischen den Teilchen einen ganzzahligen Spin. Die supersymmetrische Theorie schlägt nun vor, dass es zu jedem Teilchen mit halbzahligem Spin einen supersymmetrischen "Partner" gibt, der ganzzahligen Spin hat, und umgekehrt. Wie Prof. Dreiner in seiner Vorlesung erläuterte, würde die Supersymmetrie einige der zentralen offenen Fragen der Teilchen- und Astrophysik beantworten, darunter die Vereinheitlichung der fundamentalen Kräfte zu einer gemeinsamen "Urkraft" und der Ursprung der im Universum beobachteten dunklen Materie. Bisher ist allerdings noch keiner der supersymmetrischen "Zwillinge" der bekannten Elementarteilchen entdeckt worden. Am Large Hadron Collider (LHC), dem neuen Teilchenbeschleuniger der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN) in Genf, hat eine intensive Suche danach begonnen. Bereits in diesem Jahr, so Dreiner, könnte die supersymmetrische Theorie experimentell widerlegt werden - oder aber durch Entdeckung der vorhergesagten Partnerteilchen unser Weltbild grundlegend verändert werden.
Die Keplervorlesung ist auch der Rahmen für die Verleihung des Dr.-Friedrich-Förster-Preises, der in diesem Jahr an Dr. Frank Schleifenbaum vom Zentrum für Molekularbiologie der Pflanzen (ZMBP) ging. Der Preis wird von der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät gemeinsam mit dem Institut Dr. Förster in Reutlingen für herausragende Arbeiten junger Tübinger Wissenschaftler im Bereich der Physik und physikalischen Chemie vergeben.
Dr. Schleifenbaum hat ein inzwischen patentiertes Verfahren entwickelt, um die Bildgebung in der Fluoreszenzmikroskopie zu verbessern. Die Messung der Statistik der Nachleuchtdauer eines markierten Stoffes erlaubt nun eine bessere Trennung vom Hintergrund. Damit lassen sich ohne Bildartefakte Proteine und deren Wechselwirkung in der lebenden Zelle beobachten, was neue Möglichkeiten in der Zellbiologie eröffnet. In der Laudatio wurde besonders der fachübergreifende Charakter der Arbeit gewürdigt - hat doch ein Physikalischer Chemiker eine Methode entwickelt, welche ihre Früchte in der Biologie trägt.
Torsten Hehl und Werner Vogelsang