Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 3/2011: Forschung
Der erste Inhaber der „Tübingen Distinguished Guest Professorship“
Ein Porträt des russischen Molekularbiologen und Mediziners Peter M. Chumakov
Professor Dr. Peter M. Chumakov hat seinen Arbeitsplatz in einem hellen Eckzimmer im zweiten Stock des Interfakultären Instituts für Zellbiologie auf der Morgenstelle. Tübingen, sagt der Gast aus Russland, gefalle ihm. „Es ist ruhig, die Wege sind kurz. Ich bin beeindruckt, wie groß diese Universität ist und wie dynamisch sie sich entwickelt.“ Drei Jahre lang wird er zu regelmäßigen Aufenthalten in Tübingen sein. Chumakov, Molekularbiologe und Mediziner, ist der erste, dem die „Tübingen Distinguished Guest Professorship“ verliehen worden ist. Die Universität hat diese Gastprofessur als Teil eines Programms des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg im Zusammenhang mit der Exzellenzinitiative eingeworben. Erster Gastgeber ist Professor Dr. Alfred Nordheim, der Leiter der Abteilung für Molekularbiologie im Institut für Zellbiologie.
Für Chumakov ist Tübingen ein weiterer Standort auf seinen häufigen Reisen rund um den Globus. Die anderen: Moskau, Cleveland und seit kurzem Novosibirsk. „Alle zwei Wochen überquere ich den Ozean“, sagt er. Chumakov leitet eine Arbeitsgruppe im renommierten Engelhardt-Institut für Molekularbiologie in Moskau. Seit 35 Jahren ist er diesem Institut treu. Vor zehn Jahren gab er seiner Gruppe ein zweites Standbein am Lerner Research Institute der University of Cleveland (Ohio) in den USA. Und an der Universität von Novosibirsk baut er mit Geldern der russischen Regierung ein Labor für Virusforschung auf.
Den Schritt in die USA vor zehn Jahren betrachtet er heute als „eine sehr gute Entscheidung“. Viele und vor allem gute Nachwuchswissenschaftler in Russland drängt es ins westliche Ausland, auch in seiner Arbeitsgruppe. „Die Bedingungen in Russland sind nicht so gut“, bedauert Chumakov. Er kann seit zehn Jahren den Besten einen Aufenthalt in den USA anbieten, ohne dass sie die Arbeitsgruppe und die Bindungen zur Heimat aufgeben müssen. Gut die Hälfte, erzählt er, geht später zurück nach Russland. Einige aber machen Karriere an Universitäten wie Harvard und Stanford.
In seiner Forschung beschäftigen sich Chumakov und seine Mitarbeiter mit den molekularen Umständen der Entstehung von Krebs und seit kurzer Zeit auch Aspekten des Alterns. Sein zentrales Thema ist seit dreißig Jahren das Protein p53. Es wird Tumor-Suppressor-Gen genannt, weil es, so Chumakov, entartete Zellen unter manchen Umständen erkennen und töten und somit die Entstehung von Krebs behindern kann. Er selbst habe es 1982 als erster geschafft, das Gen zu klonieren. Inzwischen kann er berichten, dass p53 auch normalen Zellen helfen kann, mit verschiedenen Stresssituationen fertig zu werden. Seine neueste Entdeckung ist, dass p53 an sogenannte Sestrine bindet, die ebenfalls die Krebsentwicklung behindern und zudem an Prozessen beteiligt sind, die das Altern der Zelle aufhalten. „Im Prinzip“, sagt Chumakov, „könnten Sestrine gute Objekte einer Anti-Aging-Therapie sein.“
Die Entwicklung von Medikamenten überlässt er aber Partnern – obwohl er selbst nicht nur Molekularbiologe, sondern auch Mediziner ist, letzteres sogar in sechster Generation. Doch das Interesse des jetzt Sechzigjährigen hat immer der Grundlagenforschung gegolten. Dabei will er auch bleiben – in Zukunft nach Möglichkeit sogar mit mehr Effizienz. Skype und E-Mail, so überlegt er, könnten ihm in Zukunft manchen Flug und manchen Jet-Lag ersparen.
Rainer Klüting