Wenn Jean-Claude Trichet über Europa spricht, wird er leidenschaftlich. Acht Jahre hat der französische Finanzexperte die Europäische Zentralbank (EZB) geleitet und sich für die Stabilität des Euro eingesetzt. Bei einem Besuch in Tübingen im Oktober zeigte der 69-Jährige, dass er nach wie vor fest auf den Euro setzt: Für den Weg aus der Finanzkrise müsse die Europäische Union (EU) Haltung bewahren und vertrauen, gab der 69-Jährige den Tübinger Journalisten mit auf den Weg. „Vertrauen ist Teil des Erfolgs.“
Im Tübinger Presseclub sprach er darüber, welche Strukturreformen er für nötig hält, um Europa in die Zukunft zu führen. Griechenland müsse am eingeschlagenen Sanierungskurs festhalten, einen Schuldenschnitt lehne er ab, sagte Trichet. Aber auch Strafzahlungen für verschuldete EU-Staaten seien das falsche Instrument. „Sie schwächen die Schwachen zusätzlich.“ Stattdessen plädierte der ehemalige EZB-Präsident dafür, der Europäischen Union Durchgriffsrechte auf die Haushaltspolitik ihrer Mitgliedsstaaten zu geben. So könnten EU-Kommission und -Parlament in Ausnahmesituationen eingreifen, beispielsweise um die Mehrwertsteuer zu erhöhen oder Ausgaben einzufrieren.
Gründe der Euro-Krise und eventuelle Maßnahmen skizzierte er anschließend bei seinem Vortrag „Reflections on Unconventional Monetary Policy Measures and European Economic Governance“ an der Universität Tübingen. 1200 Gäste waren in den Festsaal der Neuen Aula gekommen, um ihn zu hören, darunter zahlreiche Studierende. Die anschließende Fragerunde moderierte der Horber EU-Abgeordnete Michael Theurer (FDP), der Trichet nach Tübingen eingeladen und den Abend gemeinsam mit der Friedrich-Naumann-Stiftung organisiert hatte.
Antje Karbe