Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 4/2013: Alumni Tübingen

Interview mit Alumnus Uli Keuler

 

Uli Keuler, Jahrgang 1952, studierte an der Universität Tübingen Rhetorik, Germanistik und Empirische Kulturwissenschaft. Seine Dissertation verfasste er über „Häberle und Pfleiderer“ bei Walter Jens. Erste Bühnenerfahrung sammelte der Kabarettist, Satiriker und Autor als Zauberkünstler. Seit 1973 ist er – überwiegend in Baden-Württemberg – als Komiker und Kabarettist unterwegs.

Simona Steeger sprach mit ihm für „Uni Tübingen aktuell“ über seine Studienzeit und seinen Doktorvater Professor Walter Jens.

Welche Erinnerungen verbinden Sie mit Ihrer Studienzeit?

Zunächst an die Stadt Tübingen und ihre Atmosphäre. Ich komme ja aus einer Kleinstadt –Wendlingen – und da hat Tübingen schon einiges mehr geboten: Kneipen, Kinos, Theater, den Jazzkeller und den Club Voltaire. Und gleichzeitig hat man es nicht weit ins Grüne. Das hat den Studienort für mich attraktiv gemacht, aber meine Konzentration aufs Studium zunächst nicht gerade gefördert. Die Umstellung von den klar geregelten Vorgaben der Schule zum selbstorganisierten Lernen ist mir anfangs nicht ganz leicht gefallen. Aber schließlich bin ich doch recht gut in die Gänge gekommen.

In besonders angenehmer Erinnerung ist mir die Atmosphäre am Seminar für Allgemeine Rhetorik und am Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft. Hier herrschte im Vergleich zu anderen Fächern mehr Familiarität und weniger Förmlichkeit und die Kommunikation zwischen Lehrenden und Studierenden hat nach beiden Richtungen funktioniert.

Sie haben bei Walter Jens promoviert. Wie hat er Sie als Lehrer und Doktorvater geprägt? Was haben sie von ihm als Lehrender gelernt?

Er hat mir viel Freiheit gelassen. Aber verbunden mit der freien Hand war auch die Erwartung einer soliden Leistung. Schon die Annahme des Themas „Häberle und Pfleiderer“ als Gegenstand einer Abschlussarbeit war gewiss keine Selbstverständlichkeit. Es handelt sich da um zwei recht biedere schwäbische Sketchfiguren, über die so mancher Fachkollege die Nase gerümpft haben dürfte. Dass er mir zugetraut hat, aus dem eher banalen Gegenstand Erkenntnisfunken zu schlagen, war für mich ein beträchtlicher Ansporn.

Wie kamen Sie zu ihrem Dissertationsthema?

Ich habe mich während meines Studiums unter anderem für Unterhaltungskultur interessiert. Und ich bin in dieser Zeit selbst als Kabarettist aufgetreten, hatte also auch praktische Erfahrung auf dem Sektor. Es war daher naheliegend, ein Thema zu wählen, bei dem ich auch mein praktisches Wissen einbringen konnte.

Nun spreche ich auf der Bühne meist schwäbisch, und werde häufig mit der Vorstellung konfrontiert, es gehe mir um spezifische Merkmale der Schwaben. Ein Missverständnis! Mit „Häberle und Pfleiderer“ bot sich die Gelegenheit, zu zeigen, dass das, was da aus der schwäbischen Volksseele zu strömen schien, aus einem weitverzweigten künstlichen Röhrensystem kam. Und dass gerade das vermeintlich Urwüchsige und Zeitlose auf sehr moderne Bedürfnisse des Publikums reagiert.

Wollten Sie schon immer Kabarettist werden?

Nein, das hat sich einfach ergeben. Ursprünglich wollte ich Journalist werden. Aber ich bin wie gesagt schon während meines Studiums aufgetreten. Und das lief allmählich so gut, dass ich gute Chancen sah, mein Geld auf der Bühne zu verdienen. Eine selbstständige und selbstbestimmte Arbeit schien mir attraktiver als eine Angestelltentätigkeit.

Wie hat Ihre Tübinger Zeit Sie insgesamt in Ihrer Berufswahl beeinflusst bzw. Sie darauf vorbereitet?

Mein Studium hatte keinen Einfluss auf die Berufswahl, dafür aber beträchtlichen Einfluss auf meine Textproduktion. Im Rhetorikstudium lernt man genau hinzuhören und kommunikative Tricks und Täuschungsmanöver zu durchschauen. Und man lernt, dass es nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Form ankommt, um den Gegenstand der Rede dem Publikum nahezubringen.

Nun spielen die meisten meiner Stücke in ganz alltäglichen Zusammenhängen. Und es wird Dialekt – Alltagssprache – gesprochen. Alltag besteht freilich in hohem Maße aus routinemäßigen und unreflektierten Abläufen, die nicht eins zu eins auf die Bühne gebracht werden können, ohne gewaltige Langeweile zu erzeugen. Man muss die Dinge – Rituale, Redeweisen, Stile, Einstellungen – schon einigermaßen klar erfassen, um sie treffend zu karikieren. Und dafür war das Studium der Empirischen Kulturwissenschaft, bei dem man sich ja unter anderem mit Alltagskultur und Alltagssprache beschäftigt, sehr, sehr nützlich.

Und nicht zu vergessen: Ein Teil des Personals meiner Stücke findet sich in Universitätsstädten häufiger als an anderen Orten.

Ihr Rat für heutige Studierende?

Sich nicht nur auf den Erwerb von Fachkompetenz zu konzentrieren, sondern sich auch mit den ethischen und sozialen Dimensionen seines Studienfaches zu befassen. Und über die Grenzen des Faches hinauszuschauen. Das ist durch die Bologna-Reform nicht erleichtert worden, aber wenn man es im Studium verpasst, holt man es im Beruf nicht ohne weiteres nach. Sofern es das Fach und das Zeitbudget erlaubt, ist es nach meiner Beobachtung auch nützlich, sich schon während des Studiums auf seinem zukünftigen Berufsfeld aktiv zu betätigen, Erfahrungen zu sammeln und Kontakte zu knüpfen. Das stärkt nicht nur das Selbstbewusstsein, sondern erleichtert auch den Eintritt in die Arbeitswelt.