Prof. Dr. Carolin Führer

5. Tübinger Kinder- und Jugendmedienlecture

Am 25. Juni 2025 fand die 5. Tübinger Kinder- und Jugendmedienlecture statt. Die mehrfach ausgezeichnete Autorin Stefanie Höfler war dafür eigens aus dem Schwarzwald angereist, um mit den Schüler:innen, Studierenden und weiteren Gästen über ihr Werk Feuerwanzen lügen nicht ins Gespräch zu kommen.

Das Projekt verband Schule und Universität auf besondere Weise miteinander: die 9. Klasse des Uhland-Gymnasiums bereitete das Programm gemeinsam mit Studierenden eines literaturdidaktischen Seminars vor und die Beteiligten übernahmen am Tag der Lesung Moderation und Ablauf. Schon Wochen zuvor hatten sie in Teams Aufgaben verteilt, Ideen gesammelt und die Veranstaltung bis ins Detail vorbereitet, was sich am Tag der Lesung deutlich zeigte.

Die Aula bot mit ihren hohen Fenstern, dem Blick ins Grüne und der hellen, modernen Ausstattung den perfekten Rahmen. Schon kurz vor Beginn lag spürbare Aufregung in der Luft: die Schüler:innen warteten gespannt auf die Autorin, deren Buch sie im Unterricht gelesen und intensiv besprochen hatten. Dann betrat Stefanie Höfler die Aula und sofort war eine besondere Atmosphäre zu spüren. Mit ihrer offenen und zugewandten Art nahm sie der Situation jede förmliche Distanz und brachte eine angenehme Mischung aus Spannung und Lockerheit in den Raum.

Um Punkt 9.45 Uhr war es soweit: Stefanie Höfler wurde herzlich von der 9a empfangen, die auch die Moderation übernahm. Nach einer kurzen Vorstellung begann die Autorin, von ihren Hauptfiguren Mischa und Nits zu erzählen. Mit sicherem Blickkontakt zum Publikum, beinahe frei vortragend, las sie eine Passage aus dem sechsten Kapitel. Darin ging es um Freundschaft, Geheimnisse und um die Frage, ob Lügen manchmal erlaubt sein können. Anstatt nur vorzulesen, band Höfler die Schüler:innen aktiv ein. „Wann ist Lügen okay?“, fragte sie in die Runde. Die Hände schossen sofort in die Höhe: „Wenn man jemanden beschützen will!“, rief ein Schüler. „Bei einer Geburtstagsüberraschung!“, ergänzte eine andere. So entwickelte sich ein lebhaftes Gespräch, in dem deutlich wurde, wie sehr die Schüler:innen mit der Geschichte mitgingen.

Besonders eindrücklich war die Passage, in der es um Armut und Scham ging. Im Roman meidet Mischa es, seinen Freund nach Hause einzuladen, weil er kaum etwas besitzt. Höfler fragte das Publikum: „Wie würdet ihr reagieren, wenn ihr so etwas bei einem Freund entdeckt?“ und wieder entstanden vielfältige Antworten. Einige sagten, sie würden das Thema nicht ansprechen, um niemanden bloßzustellen und es ohnehin nichts verändert. Andere meinten: „Es ist egal, weil die Freundschaft zählt, richtige Freundschaft braucht so etwas nicht.“ Schließlich hieß es auch: „In einer echten Freundschaft muss man offen darüber reden können.“ So spiegelte sich im Klassenzimmer die zentrale Botschaft des Buches wider: dass Freundschaft Feingefühl verlangt und Unterschiede aushalten kann.

Zum Abschluss erzählte Stefanie Höfler von den Hintergründen ihrer Geschichte. Inspiriert habe sie unter anderem eine Kindheitserfahrung ihrer Tochter, die sich über einen Freund wunderte, der sie nie zu sich einlud. Auch ihre ehrenamtliche Arbeit in einem Flüchtlingsheim sei prägend gewesen: die kargen Zimmer und das Miteinander der Kinder hätten sie stark beschäftigt. Die Lesung endete nach gut einer Stunde, doch die Eindrücke wirkten noch lange nach. Die Schüler:innen hatten nicht nur einer Geschichte gelauscht, sondern selbst über Freundschaft, Ehrlichkeit und Scham reflektiert. Mit großer Nähe zum Publikum zeigte die Autorin eindrucksvoll, wie lebendig Kinder- und Jugendliteratur sein kann und dass Literaturgespräche weit über das bloße Lesen hinausgehen.

Am darauffolgenden Tag besuchte Höfler die Studierenden des Begleitseminars an der Universität Tübingen. In einer intensiven und zugleich lockeren Sitzung gab sie Einblicke in ihre Arbeit als Autorin und Lehrerin und sprach über die Themen, die ihr Schreiben prägen. Nach einem kurzen Überblick über ihren Werdegang berichtete Stefanie Höfler, geboren 1978 in Leonberg, dass sie Germanistik, Anglistik und Skandinavistik in Freiburg studiert hatte. Heute arbeitet sie als Lehrerin und Theaterpädagogin an einem Gymnasium und lebt mit ihrer Familie im Schwarzwald. Mit ihrem Debütroman Mein Sommer mit Mucks (2015) machte sie sich sofort einen Namen und wurde dafür mit dem Nachwuchspreis der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur ausgezeichnet. Seither hat sie mehrere Jugendromane veröffentlicht, die vielfach nominiert und prämiert wurden. Anschließend sprach sie über die Wege, auf denen ihre Geschichten entstehen. Vieles gehe auf Beobachtungen im Alltag oder auf Situationen zurück, die sie miterlebt und später literarisch verfremdet habe. Inspiration könne überall liegen, betonte sie, oft auch in scheinbar kleinen Momenten.

Besonders lebendig wurde die Sitzung, als Höfler die Studierenden selbst aktiv einbezog. Zunächst notierte jede und jeder eine persönliche Kindheitserinnerung. Anschließend bewegten sich alle durch den Raum und gaben den Kommilitoninnen und Kommilitonen kleine Kommentare zu deren Erinnerungen. In der abschließenden gemeinsamen Runde wurde gesammelt, welche dieser Erlebnisse sich zu einer Kurzgeschichte oder Erzählung weiterentwickeln könnten. Dabei zeigte sich, wie schnell aus persönlichen Erlebnissen literarische Skizzen entstehen können.

Im Gespräch über ihren Schreibprozess machte die Autorin deutlich, dass sie selten im Voraus genau weiß, wie ihre Geschichten enden werden. Anders als bei geplanten Reihen schreibe sie lieber „im Flow“, mit einer groben Idee, wohin es gehen könnte, aber offen für Überraschungen. Schreiben sei für sie wie Sport: Manchmal müsse man sich durch Blockaden hindurchüben, bis wieder etwas in Bewegung kommt. Auch über ihren Alltag sprach Höfler offen. Sie arbeitet bewusst nur zur Hälfte als Lehrerin, um die andere Hälfte dem Schreiben widmen zu können. Rückmeldungen ihrer Schülerinnen und Schüler seien ihr dabei besonders wichtig, weil sie in ihren Texten das ehrliche Feedback junger Leserinnen und Leser schätze. Darüber hinaus betonte sie die Nähe zwischen Literatur und Theater. Geschichten lebten nicht nur von Sprache, sondern auch vom Körper, vom Spiel, vom Ausprobieren. Deshalb ziehe sie es vor, Texte mit performativen Methoden umzusetzen, anstatt über Verfilmungen nachzudenken.

Zum Abschluss ermutigte Stefanie Höfler die Studierenden, den eigenen Schreibversuchen Raum zu geben und keine Angst vor unvollkommenen Texten zu haben. Kreativität entstehe im Tun und bleibe vor allem dann lebendig, wenn man offen für neue Formen und Themen bleibt.

Kübra Dogan (Studentin)

Die Sitzung mit Stefanie Höfler hat mir Mut gemacht, eigene Schreibideen auszuprobieren.

Das Projekt hat gezeigt, wie Schule und Universität gemeinsam Literatur lebendig machen können.