International Center for Ethics in the Sciences and Humanities (IZEW)

Dr. Swantje Reimann

Dissertationsprojekt

How to be(come) a good doctor? Eine rekonstruktive Untersuchung zur Sozialisation von Medizinstudierenden.

Gute Ärzte stehen im Fokus zahlreicher Interessensgruppen mit je verschiedenen, teils konfligierenden Deutungen und normativen Erwartungen an dieses „gut“. Die Frage nach dem guten Arzt wird in dieser Arbeit jedoch nicht normativ verstanden, in Abgrenzung dazu bin ich der Frage, wie man zu einem guten Arzt werden kann und wird, aus innersystemischer Perspektive nachgegangen und habe angehende Ärztinnen und Ärzte hinsichtlich ihrer Deutungen dieses „gut“ untersucht: Welche Haltungen entwickeln sie, welchen Problemen und Herausforderungen sehen sie sich konfrontiert, an welchen Modellen orientieren sie sich, was ist ihnen in der Ausgestaltung ihres Berufes wichtig, welche Idee von Professionalität kann aus dem Sprechen „über“ rekonstruiert werden und worin zeigt sich die „Allmählichkeit“ der Aneignung i.S. Bourdieus?
Zur Beantwortung der Fragestellung nach der Spezifik eines medizinischen Habitus sowie seiner Herausbildung im Verlauf der medizinischen Ausbildung wurde eine rekonstruktive Forschungsperspektive eingenommen, um die besondere Weltsicht der Agierenden beschreiben und eine Entwicklungstypik nachzeichnen zu können. Gruppendiskussionen mit Studierenden der Vorklinik und Klinik sowie Interviews mit Assistenzärztinnen und einem Assistenzarzt bilden dabei die empirische Grundlage der qualitativen Analyse.
Der rekonstruierte medizinische Habitus zeigt zwei Ausformulierungen: eine medizinale und eine Beziehungs-Orientierung. Beide unterscheiden sich hinsichtlich der Bedeutung von Beziehungsfähigkeit, rational-technischer Aspekte medizinischen Agierens und eine bestimmten Blickes auf Phänomene von Gesundheit und Erkrankung. Dabei gibt es grundlegende Gemeinsamkeiten, v.a. die Tendenz zur Verausgabung. Der Habituserwerb erfolgt dabei in mehreren Stadien: Trivialisierung, Ambivalenz und Festigung.
Die Spezifik des medizinischen Habitus (Verausgabung) lässt die Frage nach dem Zusammenhang zu Befunden von Medizinerinnen und Medizinern (Burnout, Drogengebrauch, -missbrauch, Suizidprävalenz, etc.) hervortreten. Hier lassen sich Ansätze entwickeln, wie eine Auseinandersetzung mit Erwartungen und der Herausbildung eines Selbstverständnisses schon und gerade in der Lehre erfolgen kann, um einer psychischen und physischen Belastung der Ärzte im Spannungsfeld zwischen „Wollen“ und „Müssen“ vorzubeugen.

Zur Person

Diplomstudium Psychologie von 1995 bis 2002 (Diplomarbeit: "Healthism – Eine explorative Studie"); 2003 bis 2006 Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Halle/Saale, Funktionsbereich der Medizinischen Psychologie; 2006 bis 2007 Referentin in Weiterbildungseinrichtungen für medizin-anverwandte Berufe; 2007 bis 2010 Promotionsförderung durch das Internationale Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) Tübingen im Graduiertenkolleg „Bioethik“; 2008 Wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Ethik und Geschichte der Medizin, Eberhard-Karls-Universität Tübingen; 2008 bis 2010 Projektmitarbeiterin im BMBF-Projekt „Allokation“ am Institut für Ethik und Geschichte der Medizin, Eberhard-Karls-Universität Tübingen; 2009 bis 2011 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte, Ethik und Philosophie in der Medizin, Medizinische Hochschule Hannover; 2012 Verteidigung der Dissertation an der Privatuniversität Witten/Herdecke, Fakultät für Kulturreflexion – Studium fundamentale, Gutachter: Herr Prof. Dr. Werner Vogd, Herr Prof. Dr. Matthias Kettner, Herr Prof. Dr. Georg Marckmann, MPH (Universität München).

Kontakt

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