Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 3/2018: Alumni Tübingen

Begeisterungsfähigkeit und Authentizität als Grundlage für unternehmerischen Erfolg

Der CureVac-Gründer und Alumnus Dr. Ingmar Hoerr im Interview

Dr. Ingmar Hoerr hat Biologie an der Universität Tübingen studiert und wurde am Institut für Organische Chemie und am Interfakultären Institut für Zellbiologie und Immunologie promoviert. Im Jahr 2000 gründete er mit weiteren Kollegen die CureVac AG, heute beschäftigt das erfolgreiche Tübinger Biotech-Unternehmen rund 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Seit Juni 2018 ist Hoerr Aufsichtsratsvorsitzender von CureVac, Ende Oktober verleiht ihm die Universität Tübingen die Ehrensenatorenwürde. Maximilian von Platen hat ihn interviewt.

Welche Erinnerungen verbinden Sie mit Ihrem Studium in Tübingen?

Ich habe 1990 angefangen Biologie auf Diplom in Tübingen zu studieren. Damals war fast das gesamte Semester alternativ eingestellt, wir haben Schlabberpullover getragen und die Umweltverschmutzung war für uns ein großes Thema, wir alle wollten die Umwelt retten. Die Morgenstelle mit ihren Hochhäusern hat einen anfangs fast erschlagen, erschien unüberschaubar und die fensterlosen Hörsäle im Hörsaalzentrum hatten irgendwie Kinoatmosphäre. Experimentalvorlesungen in Physik und Chemie waren eine große Schau. Im kompletten Kontrast dazu stand die Indologie in der Alten Aula, dort besuchte ich nebenher Seminare. Knarrender Holzfußboden, lichtdurchflutet und beim 12:00 Uhr Glockenschlag der Stiftskirche musste man die Fenster zu machen.

Wie hat Ihre Tübinger Zeit Sie auf Ihr Berufsleben vorbereitet?

Ich glaube, ich habe Offenheit und Befreiung erlangt. Mir ist klar geworden, dass alles von mir selbst abhängt und ich mein Leben in der Hand habe. Das Studium habe ich flexibel gestaltet, da  mein Stundenplan es zuließ. Ich weiß nicht, ob das heute noch möglich ist. Ich habe Hauptseminare in Mikrobiologie schon im dritten Semester besucht und die Klausuren mitgeschrieben. Weiterhin interessierte mich Indologie und ich besuchte einige Seminare in Rhetorik und Anglistik. Ein Jahr war ich in Indien und habe dort in Pune und an der Madurai Kamaraj Universität im Labor experimentiert. Im Prinzip habe ich das Humboldt‘sche Bildungsideal gelebt. Im Nachhinein empfinde ich das viel wertvoller, als Samenzellen unter dem Mikroskop abzuzeichnen.

Biotechnologie, Künstliche Intelligenz – warum ist Tübingen ein so attraktiver Standort für Zukunftstechnologien?

Ich glaube, in Tübingen darf man ein bisschen freier denken. Es muss nicht alles sofort einen Sinn ergeben. Es ist leicht, in Nischen zu gehen und man hat das Gefühl, dass die Zeit einem das auch erlaubt. Tübingen ist eine Stadt, in welcher man ein Gefühl der Entschleunigung erfährt. Materielle Werte spielen eine untergeordnete Rolle. Das ist die Grundlage, um „um die Ecke“ zu denken, in seinem Projekt ganz aufzugehen und Innovationen zu tätigen. Besonders auf diese Innovationen kommt es an, wenn man über Zukunftstechnologien spricht.

Was motiviert wird Sie als Unternehmer und Wissenschaftler? Welche Eigenschaften und Fähigkeiten  muss ein Unternehmer heute mitbringen, um erfolgreich sein zu können?

Am meisten motiviert mich, wenn ich sehe, dass der Funke auf andere überschlägt, andere sich begeistern und mit ins Boot kommen. Somit können gemeinsam die Dinge vorangebracht werden. Als Wissenschaftler war ich mehr Einzelkämpfer, was oftmals viel schwieriger ist.

Begeisterungsfähigkeit und Authentizität ist die wesentliche Grundlage für den unternehmerischen Erfolg.

Was raten Sie den heutigen Studierenden im Hinblick auf Studium und Berufswahl?

In sich rein zu hören, was will ich wirklich machen oder was mache ich, weil andere auf mich Einfluss genommen haben? Ich kann allen Studierenden nur empfehlen, den Mut zu haben, auch mal einen Seitenweg einzuschlagen, wenn nicht als Studierender, wann dann? Hilfreich ist manchmal auch eine Analyse: Wo bin ich durch Unbehagen, Angst und fehlendes Selbstvertrauen blockiert? Eine rationale Auseinandersetzung und bewusste Entscheidung, ob man sich Dingen stellt und neue Horizonte erobert oder lieber den Rückzug antritt, ist wichtig. Diese bewusste Entscheidung erlaubt einem später, seinen Lebensweg zu akzeptieren. Somit hat man für sich selbst Verantwortung übernommen und seine Entscheidungen in der Hand.