Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 4/2021: Forum
Die Welt nach Tübingen holen
Prorektorin Monique Scheer erläutert die neue Internationalisierungsstrategie der Universität
„Raising global awareness“ – unter diesem Titel hat die Prorektorin für Internationales und Diversität, Professorin Dr. Monique Scheer, ein Papier zur internationalen Strategie der Universität Tübingen erarbeitet. Ein gutes Jahr lang wurde der Entwurf diskutiert und weiterentwickelt, im Rektorat wie auch mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich mit internationalen Angelegenheiten befassen. Nach Zustimmung aller Gremien wurde das Strategiepapier nun online veröffentlicht (Strategie im PDF-Format).
Wozu braucht die Universität Tübingen eine Internationalisierungsstrategie? Es läuft doch auch so?
Ja, es läuft. Eine Strategie zu haben bedeutet aber, dass es nicht irgendwie läuft, sondern dass es mit Vorsatz und Prioritätensetzung läuft. Das Papier erläutert, wie wir uns als Universität im Bereich Internationales sehen und wo wir hinwollen. So können wir unsere Energien um einige Hauptziele bündeln. Und wenn wir Entscheidungen treffen müssen, haben wir eine Leitlinie.
Leitgedanke des Papiers ist „Global Awareness“. Was steckt hinter diesem Begriff?
Zum einen geht es um die soziokulturelle Herausforderung, diese Vernetzung der Welt, die durch Migration, Mobilität und Kommunikationsmöglichkeiten entsteht. Wir wollen ein Bewusstsein schaffen, welche Chancen und Risiken das birgt. Dazu kommt der Umweltaspekt: Mit dem Klimawandel ist unser ganzer Planet einer Bedrohung ausgesetzt. Bei den Studierenden wollen wir die Kompetenzen erhöhen, dass sie mit diesem Bewusstsein auch ins Berufsleben gehen, etwa durch „global awareness education“ im überfachlichen Bereich.
Das Papier setzt fünf Schwerpunkte. Zunächst geht es dabei um die Rekrutierung.
Um die Internationalität unserer Universität auf allen Ebenen zu erhalten, müssen wir uns weiterhin aktiv darum bemühen, Menschen aus dem Ausland nach Tübingen zu bringen. Das heißt: mehr Professuren aus dem Ausland besetzen, auch mit deutschen Wissenschaftler:innen, die lange im Ausland waren. Mehr internationale Forscher:innen, Masterstudierende und Promovierende zu uns holen.
Ein zweiter Punkt befasst sich mit den strategischen Partnerschaften.
Wir haben schon vor Jahren angefangen, stabile Partnerschaften auf Universitätsebene aufzubauen, die mehrere Fachbereiche umfassen – das sind strategisch wichtige Partnerschaften. Diese bilateralen Kooperationen haben wir durch Netzwerkpartnerschaften wie Matariki oder CIVIS ergänzt. Sie alle wollen wir weiter pflegen. Dazukommen sollen noch institutionelle Partnerschaften in Afrika. Die Herausforderungen des Klimawandels und der öffentlichen Gesundheit können wir ohne afrikanische Partner nicht effektiv angehen.
Was steckt hinter dem Ziel, neue Formen der digital gestützten Mobilität auszubauen?
Wir können Mobilität ohne Digitalisierung nicht mehr denken, weil wir die nötigen Reisen reduzieren wollen. Die Pandemie hat bewiesen, dass das geht. Wir wollen ein Gleichgewicht zwischen Austausch in Präsenz und online finden und dazu Lehre in Onlineformaten gemeinsam mit internationalen Partnern anbieten, dazu auch Zusammenarbeit in der Forschung.
Bis hin zur Bildung eines transnationalen Campus mit internationalen Lehrinhalten, so ein weiteres Ziel.
Hier geht es darum, dass Menschen aus einer Vielzahl von Ländern hier sind und ihren kulturellen Hintergrund mitbringen. Das wollen wir wahrnehmen und berücksichtigen. Es soll selbstverständlich sein, auf dem Campus zwischen Deutsch und Englisch zu wechseln, auch wenn man eine Sprache nicht perfekt spricht. Außerdem wollen wir z. B. auch mehr Joint Degrees entwickeln.
Nach Lehre und Forschung geht es nicht zuletzt um die Internationalisierung der Verwaltung. Was ist da geplant?
Wir müssen die Bedürfnisse der Verwaltung wahrnehmen und sie stärken, wo die Internationalisierung besondere Herausforderungen bringt. Wir wollen etwa wieder Sprachkurse einführen und in Besprechungen zu bestimmten Regionen, etwa Afrika und China, die Kommunikation zwischen Fakultäten und Verwaltung verbessern.
Welche Erwartungen haben Sie an die Verwaltung? Mehrsprachigkeit zum Beispiel dürfte für viele Beschäftigte eine große Herausforderung sein.
Auch wenn der Vergleich ein bisschen hinkt: In gewisser Weise ist die Uni hier wie ein Flughafen, wo alle Mitarbeitenden täglich mit anderen Sprachen zu tun haben und genau deshalb gern dort arbeiten. So ist auch die Universität ein internationaler Arbeitgeber, von dem man weiß, dass andere Sprachen hier gang und gäbe sind. Das macht ihn gerade spannend. Und wenn ich nicht ohne Weiteres in der Lage bin, Englisch oder Französisch zu sprechen, kann ich mir Hilfe holen und z.B. fragen, mit welchen digitalen Tools ich eine Mail übersetzen kann. Da wollen wir den Mitarbeitenden Angebote machen, um Kompetenzen zu stärken.
Wie geht es nun konkret weiter?
Wir haben die Liste der im Papier genannten Maßnahmen aufgestellt, Zuständigkeiten festgelegt und Monitoring-Aufgaben verteilt. Zum Beispiel machen wir eine Abfrage und Erfassung der englischsprachigen Lehre, um das dann in den nächsten Jahren anzuheben. Es soll aber nicht zur Erbsenzählerei werden. Bei manchen Maßnahmen brauchen wir konkrete Zahlen, bei anderen geht es um eine qualitative Steigerung.
Beschäftigte könnten die Umsetzung der Maßnahmen als zusätzliche Belastung sehen. Was sagen Sie dazu?
Das Strategiepapier steckt nicht voll mit neuen Maßnahmen. Das sind vielfach Dinge, die wir ohnehin schon tun. Aber wir haben sie jetzt geordnet und mit bestimmten Zielsetzungen verknüpft. Insofern spiegelt das neue Papier einfach auch einen Selbstverständigungsprozess wider.
Das Interview führte Tina Schäfer