Auf Twitter gehen Nachrichten blitzschnell um die Welt, Online-Medien liefern Echtzeit-Berichterstattung, die Öffentlichkeit ist in den Zeiten des Web 2.0 für jedermann zugänglich. Welche Aufgabe hat in dieser Situation eines dramatischen Medienumbruchs die Zeitung? Welche Rolle kommt ihr zu, wenn doch die aktuellsten Nachrichten stets schon anderswo zu lesen waren? Welche Zukunft hat ein Medium, das manche bereits leichtfertig verloren geben und als „sinnlose, egoistische Obsession mit toten Bäumen“ (Zitat des Medieninvestors David Montgomery) verspotten?
Der Journalist Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und wortmächtiger Deuter aktueller Debatten, sprach am 30. Juni 2011 im voll besetzten Festsaal der Universität Tübingen über alte und neue Aufgaben der Zeitung – und ging der Frage nach, wie die digitale Revolution den Qualitätsjournalismus verändert und den Wert geistiger Arbeit insgesamt transformiert. Er beschrieb die Zeitung als das Medium der unvermeidlichen Verzögerung und der programmierten Entschleunigung, die gerade in einer Phase des Schnell-Schnell-Journalismus ihre Bedeutung behalten werde, wenn auch womöglich eher als Instrument der Selbstverständigung von Eliten. Seine Kernthese: Die Idee der Qualitätszeitung hat, unabhängig vom Trägermedium, eine Zukunft, weil sie für Reflexionstiefe und nachhaltige Deutungen steht. Qualitätszeitungen sind notwendig, weil sie Orientierung liefern, Wertedebatten initiieren – und dem geistigen Leben eines Landes eine Plattform der vitalen Auseinandersetzung geben, die es ohne sie nicht hat.