Anfang November 2011 war der Biologe und Philosoph Humberto Maturana zu Gast am Forum Scientiarum. Der weltweit für seine systemtheoretischen Erklärungen des Lebens bekannte Wissenschaftler aus Santiago de Chile hielt die vierte Unseld Lecture, die das Forum Scientiarum der Universität Tübingen gemeinsam mit dem Suhrkamp Verlag und der Udo Keller Stiftung organisiert. Unter dem Titel „How do we know that we know?“ erläuterte er im bis auf den letzten Platz gefüllten Audimax, das Leben sei dadurch charakterisiert, dass es sich selbst aufbaue und erhalte: Lebewesen seien somit autopoietische Systeme (griech. autos=selbst; poiein=schaffen). Zugleich bildeten Organismen eine Einheit mit ihrer jeweiligen ökologischen Nische und lebten deshalb in spezifischen Umwelten. Maturana hält darum die Annahme einer allen Organismen gemeinsamen, objektiv gegebenen Wirklichkeit für falsch.
Am Folgetag führte der Tübinger Medienwissenschaftler Professor Dr. Bernhard Pörksen eine öffentliche Diskussion mit Humberto Maturana. Zahlreiche Zuhörer nutzten die Gelegenheit, selber Fragen an den Wissenschaftler zu richten. Dieser erläuterte seine Vorstellungen mit viel Witz und Esprit und veranschaulichte sie zudem immer wieder durch Zeichnungen an der Kreidetafel.
Auch dieses Mal wurde die Unseld Lecture von einem einwöchigen interdisziplinären Workshop für Nachwuchswissenschaftler am Forum Scientiarum begleitet. Maturana arbeitete gemeinsam mit dem Tübinger Anglisten und Kenner der Systemtheorie, Christoph Reinfandt, sowie mit 20 jungen Forschern aus aller Welt zum Thema „Ideas of Objectivity“. Die Workshop-Teilnehmer kamen aus den Fachbereichen Archäologie, Geographie, Geschichte, Rechtswissenschaft, Kognitionswissenschaften, Linguistik, Literaturwissenschaft, Philosophie, Psychologie und Soziologie.
Im Juni 2012 wird der niederländische Primatologe Frans de Waal von der Emory University in Atlanta, USA, Gast der Unseld Lecture am Forum Scientiarum sein. Frans de Waal beschäftigt sich unter anderem mit kooperativem Verhalten und Empathie bei Primaten.
Niels Weidtmann