Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 3/2018: Leute

Herausragende Persönlichkeit der internationalen Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie

Zum Tode von Professor Dr. Dr. Dr. Dr. h.c. Norbert Schwenzer ein Nachruf von Siegmar Reinert

Am 12. Juli 2018 ist Professor Dr. med. Dr. med. dent. Dr. Dr. h.c. Norbert Schwenzer, ehemaliger Direktor der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des Universitätsklinikums Tübingen, im Alter von 89 Jahren verstorben. 

Norbert Schwenzer wurde am 20. Mai 1929 in Koblenz geboren. Nach dem Abitur 1947 in Neuwied und einem zweijährigen zahntechnischem Praktikum studierte er in Mainz Zahnmedizin und promovierte 1952 zum Dr. med. dent. Es folgte dann bis 1956 das Studium der Medizin ebenfalls in Mainz und die Promotion zum Dr. med.

Nach einer Tätigkeit als Assistent in der Chirurgischen Universitätsklinik in Mainz wechselte Norbert Schwenzer 1956 an die von Professor Dr. Dr. Karl Schuchardt geleitete Nordwestdeutsche Kieferklinik in Hamburg. Er erlebte dort 1958 den Bezug des Neubaus der Nordwestdeutschen Kieferklinik auf dem Gelände des Universitätskrankenhauses Eppendorf. 1962 erhielt er die Anerkennung als Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und im Jahr 1964 wechselte er zu Professor Dr. Dr. Friedrich Schröder nach Würzburg, ebenfalls einem Schuchardt-Schüler. 

Die in Hamburg begonnenen Arbeiten zur Osteosynthese konnte Norbert Schwenzer 1965 in Würzburg mit der Habilitation erfolgreich abschließen. Diese Arbeit wurde im gleichen Jahr mit dem Martin-Wassmund-Preis der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie ausgezeichnet. 

1972 nahm er den Ruf auf den Lehrstuhl für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie an der Medizinischen Fakultät der Universität Tübingen an, den er mit der Leitung der Klinik bis April 1998 innehatte. Trotz Rufen auf die Lehrstühle seines Faches nach Erlangen und Würzburg ist er Tübingen treu geblieben. 

Norbert Schwenzer hat in seiner Tübinger Zeit eine Fülle von Ämtern bekleidet: An der damaligen Tübinger Fakultät für klinische Medizin war er unter anderem 1977/78 Prodekan und 1979 Dekan, geschäftsführender Direktor des Zentrums für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, stellvertretender Vorsitzender des Klinikumsvorstands und von 1982-1995 Sprecher des interdisziplinären Tumorzentrums Tübingen.

Der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie hat er von 1968 bis 1976 als Generalsekretär gedient, 1977/78 und 1980 bis 1984 war er Präsident der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. 1978 fand auch der Jahreskongress unserer Fachgesellschaft unter seiner Leitung in Tübingen statt.

1990 hatte Schwenzer die Präsidentschaft der Deutschen Gesellschaft für Plastische und Wiederherstellungschirurgie inne, zugleich fand auch der Jahreskongress dieser Gesellschaft in Tübingen unter seiner Leitung statt. Von 1995 bis 1997 war er Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schädelbasischirurgie und von 1997 bis 2007 Sprecher des wehrmedizinischen Beirats im Verteidigungsministerium. Von 2000 bis 2007 war er Vorsitzender des Berufsverbandes für Plastische und Rekonstruktive Chirurgie. 

Seit April 1998 war Norbert Schwenzer emeritiert, jedoch nicht im Ruhestand. Viele Einsätze mit Interplast und „Ärzte der Welt“ in Nepal und Kambodscha hat er mit verschiedenen Teams geleistet und Menschen mit angeborenen oder erworbenen Fehlbildungen geholfen, die sonst keine Hilfe erfahren hätten. Ferner war er bis 2010 an der Chirurgischen Privatklinik Solitude in Ludwigsburg tätig. 

Das wissenschaftliche Oevre von Norbert Schwenzer umfasst mehr als 300 Originalarbeiten und mehr als 30 Buchbeiträge. Großen Bekanntheitsgrad weit über unser Fach hinaus haben die von ihm lange Jahre herausgegebene Jahrbuchreihe „Fortschritte der Kiefer- und Gesichtschirurgie“ und die Lehrbuchreihe „Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde“ erlangt, die er als Herausgeber betreut hat und die zu einem Lehrbuch-Standardwerk geworden ist. Mehr als 100 Dissertationen wurden von ihm betreut und fünf Habilitanden zum Erfolg geführt, von denen drei auf Lehrstühle berufen wurden.

Auch im studentischen Unterricht wusste er zu begeistern und wurde dafür von den Studierenden geehrt. 

Norbert Schwenzer hat viele Ehrungen erfahren, unter anderem 2005 das Bundesverdienstkreuz am Bande, das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold, die Semmelweis-Medaille, die Kurt-Hemmerich-Medaille des Bundesverbandes Deutscher Ärzte für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und die Verdienstmedaille der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg. Ferner wurde ihm die Ehrendoktorwürde der medizinischen Fakultäten der Semmelweis-Universität Budapest und der Universität Tiflis verliehen.

Er war unter anderem Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Deutschen Gesellschaft für Plastische und Wiederherstellungschirurgie, Deutschen Gesellschaft für Ästhetische Chirurgie, Österreichischen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Ungarischen Gesellschaft für Stomatologie und der Partner-Fachgesellschaften in Venezuela, Griechenland und Georgien.

Norbert Schwenzer war eine außergewöhnliche Persönlichkeit, als Arzt, als Wissenschaftler, als Hochschullehrer und als ausgezeichneter Kenner und Könner seines Faches. Last not least war er auch künstlerisch interessiert. Sein Beruf war für ihn immer auch Berufung.

Mit Professor Dr. med. Dr. med. dent. Dr. Dr. h.c. Norbert Schwenzer verliert die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie eine herausragende Persönlichkeit, die das Fach national wie international geprägt und in besonderer Weise vertreten hat. Er hat Impulse gegeben, die richtungsweisend waren und weit über die Grenzen des eigenen Faches gewirkt haben. 

Unsere Anteilnahme gilt seinen Angehörigen. Wir werden ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren.