Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 3/2018: Schwerpunkt

Cluster: Maschinelles Lernen - Neue Perspektiven für die Wissenschaft

Wie künstliche Intelligenz die Wissenschaft verändern wird

Neue Technologien auf der Basis Künstlicher Intelligenz werden die Welt in den nächsten Jahrzehnten spürbar verändern. Die Grundlage dafür bilden die in jüngster Vergangenheit erzielten Durchbrüche im Bereich des maschinellen Lernens. Diese haben dazu geführt, dass Algorithmen imstande sind, immer komplexere Aufgaben zu erfüllen. Der neue Exzellenzcluster „Maschinelles Lernen: Neue Perspektiven für die Wissenschaft“ will sich mit Entwicklungen befassen, die den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess selbst fundamental verändern können. Ziel der Forscherinnen und Forscher ist es, das volle Potenzial des maschinellen Lernens für die Wissenschaft zu erschließen und zu verstehen, welche Veränderungen dies für die wissenschaftliche Herangehensweise mit sich bringen wird.

Im Mittelpunkt stehen dabei Algorithmen, die komplexe Strukturen und kausale Zusammenhänge in wissenschaftlichen Daten erkennen und Methoden, mit denen sich Unsicherheiten in datengetriebenen wissenschaftlichen Modellen quantifizieren lassen. Außerdem sollen Techniken entwickelt werden, die es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus verschiedenen Disziplinen ermöglichen, einzelne Schritte des maschinellen Lernens besser zu verstehen, zu interpretieren und zu kontrollieren. Darüber hinaus stehen wissenschaftstheoretische und ethische Fragen auf der Agenda des Clusters. Sprecherin und Sprecher des Forschungsverbunds sind die Informatikerin Professorin Ulrike von Luxburg und der Neurowissenschaftler Professor Philipp Berens. Neben der Universität Tübingen beteiligt sind das Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme und das Leibniz-Institut für Wissensmedien.

Interview mit Ulrike von Luxburg und Philipp Berens 

Können Sie in drei Sätzen erklären, was genau im Exzellenz-Cluster erforscht werden soll?

PB: Aktuell finden im Bereich des maschinellen Lernens und der Künstlichen Intelligenz rasante Fortschritte statt. Wir wollen diese für die Wissenschaften nutzbar machen: von der Medizin, über Geowissenschaften und Physik bis hin zur Soziologie und Linguistik. Wenn maschinelles Lernen in den Wissenschaften häufiger eingesetzt wird, wird das die wissenschaftliche Praxis und unser Verständnis von Wissenschaft sehr verändern. Wir wollen deshalb auch reflektieren, was die neuen Techniken für die Wissenschaft selbst bedeuten. 

Welche Ergebnisse erhoffen Sie sich?

UvL: Wir wollen Fragestellungen in vielen Wissenschaftsbereichen finden, die mit Instrumenten aus dem Bereich des maschinellen Lernens besser als bisher beantwortet werden können. Aus diesen Problemstellungen ergeben sich gleichzeitig neue Inspirationen für Forschung im maschinellen Lernen: weil existierende Algorithmen nicht ausreichen, um die konkreten Forschungsfragen aus den Anwendungsdisziplinen zu lösen. Wenn es uns gelingt, diesen Innovationszyklus in einigen Wissenschaftsbereichen zum Laufen zu bringen, haben wir etwas erreicht.

Was wird die größte Herausforderung sein? 

PB: Unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kommen aus vielen verschiedenen Disziplinen der Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften. Das bedeutet, ganz unterschiedliche Fachkulturen treffen aufeinander– es wird mit Sicherheit eine Herausforderung, die zusammenzubringen. Gleichzeitig ist gerade das für uns aber auch extrem reizvoll – wann in einer wissenschaftlichen Laufbahn kann man sich schon mal so breit mit dem beschäftigen, was andere Fächer spannend finden?

Was reizt Sie persönlich an dem Projekt/Thema?

PB: Ich habe in meiner Karriere immer zwischen maschinellem Lernen und Neurowissenschaft gearbeitet: wir haben versucht, neurowissenschaftliche Fragen mit dem Handwerkszeug des maschinellen Lernens zu beantworten. Dies jetzt auf einer viel größeren Skala – den Wissenschaften, die die Universität in ihrer ganzen Breite bietet – machen zu dürfen, ist extrem spannend.

UvL: Die Begriffe „Künstliche Intelligenz“ und „maschinelles Lernen“ sind in der öffentlichen Debatte bisweilen mit Unbehagen behaftet. Viele Menschen sind besorgt, dass ein Teil der Forschung in internationalen Unternehmen stattfindet, die eigene Interessen verfolgen und schwer kontrollierbar sind. Dem wollen wir etwas entgegensetzen: mit Forschung im öffentlichen Kontext, die die Wissenschaft vorantreibt, ethische Bedenken ernst nimmt und am Ende der Allgemeinheit nutzt.