Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 4/2019: Leute

Profilierter Vertreter der Allgemeinen Pädagogik

Zum Tod von Professor Dr. Klaus Prange ein Nachruf von Markus Rieger-Ladich

Am 29. Juni 2019 ist Professor Dr. Klaus Prange im Alter von 80 Jahren gestorben. Mit ihm verliert die Erziehungswissenschaft einen ihrer originellsten und profiliertesten Vertreter. In seiner Tübinger Zeit prägte er nicht nur den Fachdiskurs und legte viel diskutierte Arbeiten vor; er entwickelte mit seiner Operativen Pädagogik zudem eine höchst eigenständige Theorie der Erziehung, die bis heute intensiv rezipiert wird. 

Im Anschluss an das Studium der Fächer Deutsch, Englisch, Philosophie und Pädagogik unterrichtete Klaus Prange zunächst als Gymnasiallehrer. Er promovierte mit einer philosophischen Arbeit (1969) und habilitierte sich an der Universität Kiel mit einer Studie zur Pädagogik als Erfahrungsprozess (1975). Kurz darauf erhielt er einen Ruf an die Universität Kiel und lehrte dort bis 1985 Allgemeine Pädagogik. Nach einem Wechsel an die Universität Bayreuth, wo er von 1985 bis 1989 tätig war, bekleidete er an der Universität Tübingen den Lehrstuhl für Allgemeine Pädagogik. Er stand für einige Jahre dem Institut für Erziehungswissenschaft als Direktor vor, übernahm in der Fakultät Verantwortung und engagierte sich in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft. Nach seiner Emeritierung an der Eberhard Karls Universität war er als Honorarprofessor an der Universität Oldenburg tätig.

Klaus Prange war einer der originellsten Vertreter der Allgemeinen Pädagogik. Nachdem er zunächst mehrere Studien vorgelegt hatte, die um den Begriff der Erfahrung kreisen, und im Anschluss daran „Bauformen des Unterrichts“ (1983) identifiziert hatte, befasste er sich mit der Anthroposophie Rudolf Steiners und der pädagogischen Praxis, die daraus abgeleitet wurde. Seine scharfe Kritik der Waldorfpädagogik, die 1986 erschien und mehrere Auflagen erlebte, ist bestechend und hat kaum etwas von ihrer Gültigkeit eingebüßt. 

Im Jahr 2005 legte Klaus Prange „Die Zeigestruktur der Erziehung“ vor. Hier entwickelte er die Grundlagen seiner „Operative Pädagogik“. Statt sich noch länger über den Begriff der Bildung zu profilieren, sei die Erziehungswissenschaft gehalten, jenen Begriff auszuarbeiten, den sie im Titel trage – so seine Kritik. Geschult an den Arbeiten Johann Friedrich Herbarts, unternahm er dies und entwickelte eine neue Theorie der Erziehung. Der Keim des Pädagogischen liege in der Geste des Zeigens, die mit der Absicht, einen Lernprozess auszulösen, auf ein Objekt oder einen Sachverhalt hinweist. Der Erziehung obliegt es daher, Zeigen und Lernen zu koordinieren. Die normative Fragen, die damit virulent werden, behandelte er in seiner „Ethik der Pädagogik“ (2010). 

Was Pranges operative Pädagogik kennzeichnet, gilt auch für seine übrigen Arbeiten: Die Theorie des Zeigens besticht durch das Bemühen um größtmögliche sprachliche Genauigkeit und argumentative Kohärenz. Dieses Ethos der Sachlichkeit ist gepaart mit einem distanzierten Blick auf die Usancen des wissenschaftlichen Feldes und einer ausgeprägten Lust an der Auseinandersetzung. Insbesondere auf den Versuch, argumentative Unzulänglichkeiten durch moralisches Engagement zu kompensieren, reagierte er allergisch. Es gibt in pädagogischen Kontexten „keine Unschuld“ und allen Formen der Bemäntelung dieses Sachverhalts trat er mit der gebotenen Schärfe entgegen. 

Dass Prange seine stupende Gelehrsamkeit stets in den Dienst der Sache stellte, wurde auch deutlich in den beiden Bänden „Schlüsselwerke der Pädagogik“ (2008). Hier stellte er Werkporträts zusammen und diskutierte zentrale Texte des Abendlandes. Seine knappen Beiträge sind von einer unerhörten Prägnanz und Klarheit. Ohne falschen Respekt erläuterte er Texte von Platon, Hegel und Dewey und macht sie auf diese Weise (nicht nur) Studierenden zugänglich. Und immer wieder blitzt dabei der trockene Humor ihres Verfassers auf. 

Klaus Prange war mit den Paradoxien des Pädagogischen sehr vertraut und hat sie selbst immer wieder zum Gegenstand gemacht. Mit ihm verliert die Disziplin einen der schärfsten Kritiker – und zugleich einen ihrer profiliertesten Vertreter.