Die Lage auf dem Medienmarkt ist dramatisch und Zeugnis eines elementaren Wandels. Zeitungen werden eingestellt, verkauft, kaputt gespart. Jüngere Leser informieren sich selbstverständlich mit dem Smartphone und haben sich längst an die Gratiskultur im Netz gewöhnt. Der Anzeigen- und Werbemarkt – einst eine sichere Finanzquelle des Qualitätsjournalismus – befindet sich im Umbruch. Im Netz sind Oligopole wie Google und Machtzentren neuen Typs entstanden, deren Algorithmen diejenigen Informationen filtern und sortieren, die uns dann erreichen. Wie wird sich der Journalismus in den nächsten Jahren verändern? Welche Aufgabe hat in dieser Situation ein Verlag? Muss er Tradition pflegen, nach der Nische suchen oder aber die digitale Revolution umarmen und sein Unternehmen neu aufstellen?
Dr. Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE, sprach Ende Mai auf Einladung des SWR-Studios Tübingen und der Tübinger Medienwissenschaft als elfter Gastredner der Tübinger Mediendozentur im vollbesetzten Festsaal der Universität in der Neuen Aula – und sorgte mit seiner Rede bundesweit für Aufsehen. Insbesondere seine scharfe Kritik an der Marktmacht von Google und den Reaktionen von EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia wurde in zahlreichen Medien aufgegriffen. Google bevorzuge systematisch seine eigenen Dienstleistungen in der Darstellung von Suchanfragen, missbrauche seine marktbeherrschende Stellung, so Döpfner. Almunias Vorschlag, diesem Missbrauch zu begegnen, indem Google Werbefenster an die benachteiligten Konkurrenten verkaufe, kommentierte er mit folgenden Worten: „Das ist die EU-behördlich sanktionierte Einführung eines Geschäftsmodells, das man in weniger ehrenwerten Kreisen Schutzgeld nennt.“
Im weiteren Verlauf seines Vortrags entfaltete der scharfzüngig formulierende, vielfach ausgezeichnete Medienmanager die These, Qualitätsjournalismus werde – gerade in Zeiten des Dauer-Alarmismus und einer allgemeinen Boulevardisierung – immer einen Markt finden, auch im digitalen Zeitalter besäßen drei Kerntugenden der Qualitätspublizistik Bedeutung: charismatische Haltung, eindringliche Sprache, exklusive, hintergründig aufbereitete Information. Insgesamt gebe es heute mehr Möglichkeiten und Kanäle für guten Journalismus; die Neigung zur Untergangsprophezeiung, die in der Branche lustvoll gepflegt werde, sei falsch. Döpfner: „Die Digitalisierung ist eine Chance für den Journalismus, wenn – unter fairen Wettbewerbsbedingungen – Verleger und Journalisten das Richtige tun: sich auf Qualität konzentrieren. Neue Technologien sind nicht unser Feind, sondern unser Freund. Es geht darum, die Idee des Zeitungsjournalismus vom Papier zu emanzipieren. Und am Ende wird es nur um eine erfolgsentscheidende Frage gehen: ob man etwas Wichtiges zu sagen hat.“
B.P.