Eldorado für die Wissenschaft
Am Río Tinto finden Experten wie Kappler ein einzigartiges Naturlabor, das Forschende weltweit anzieht. Weil die Region mit ihren Eisenmineralvorkommen und extremen Lebensbedingungen der Marsoberfläche ähnelt, testete hier sogar die NASA Ausrüstung und analytische Methoden für die Suche nach Lebensspuren auf dem Mars. Durch die hohe Säurekonzentration bleiben im Fluss Metalle wie Eisen, Kupfer, Blei, Zink und Nickel im Wasser in ihre einzelnen Bestandteile gelöst – normalerweise bilden sie Feststoffe und setzen sich als Sedimente ab.
Aus dem Río Tinto stammen schätzungsweise bis zu 15 Prozent der Metallionen, die weltweit in die Ozeane gespült werden: einzelne Metallteilchen, die eine elektrische Ladung tragen und eine wichtige Rolle für chemische und ökologische Prozesse spielen.
„Der Río Tinto ist eines der ersten Gebiete, in denen Biomining geholfen hat, Kupfer aus Erzen zu gewinnen“, sagt Kappler. „Schon die Römer bemerkten, dass im Flusswasser Kupfer aus den Erzen freigesetzt wurde. Heute wissen wir, dass dies Bakterien zu verdanken ist.“ Immer wieder starten Tübinger Expeditionen per Flugzeug und Kleinbus zum Río Tinto, um Erkenntnisse für Projekte der geowissenschaftlichen Grundlagenforschung zu gewinnen. Eine enge Zusammenarbeit mit Forschenden der Autonomen Universität Madrid hilft bei der Arbeit vor Ort. Die gesammelten Proben fahren dann sicher verpackt ins Tübinger Labor.
„Uns interessieren Prozesse im Untergrund“, sagt Kappler. In der Region findet sich jede Menge des Minerals Pyrit, auch Katzengold genannt. Bestimmte Bakterien, wie Acidithiobacillus ferrooxidans, oxidieren das Katzengold, lösen es also in seine Bestandteile Eisen und Schwefel auf. So entsteht eine Schwefelsäurelösung, die wiederum Eisen und weitere Metalle (Kobalt, Mangan, Nickel, Cadmium) aus dem Gestein ausspült und zusammen mit Regenwasser in den Fluss transportiert. „Wir untersuchen, welche Mikroorganismen dabei eine Rolle spielen, wie aktiv diese unter diesen extremen Bedingungen sind und welche man davon in Fluss und Sediment findet.“
Gemeinsam mit der Wissenschaftlerin Sara Kleindienst und weiteren Forschenden untersuchte Kappler 2020 etwa, welche Nahrung die Mikroorganismen im Río Tinto für ihren Stoffwechsel finden und wie sie den Transport von Schwermetallen ins Mündungsgebiet beeinflussen. Während sich manche Mineralien vollständig auflösen, transportiert der Fluss andere in Form von Nanopartikeln Richtung Meer. Dort werden die Metallionen von Mikroorganismen, Plankton, Fischen und höheren Lebewesen in Enzymen genutzt oder in Sedimenten abgelagert. „Wenn wir die Transportvorgänge verstehen, können wir auch die Auswirkungen auf Umwelt und Mensch besser einschätzen.“