Wie werden Heldenbilder inszeniert und über welche Mechanismen wirken sie? Haben Helden aus dem Mittelalter und der Moderne Gemeinsamkeiten? Worin unterscheiden sie sich? Inwieweit bringen die Geschichte und das Erzählen damals wie heute überhaupt erst den Helden hervor?
Diese Fragen beschäftigten Tübinger Gymnasiasten im Projekt „Mittelalter reloaded. Heldenbilder im Transfer zwischen Mittelalter und Moderne“. An zwei Tagen untersuchten und verglichen im Mai 22 Schüler und Schülerinnen der Klasse 9 des Uhland-Gymnasiums Heldenbilder aus dem Mittelalter und aus unserer Zeit. So wurden zum Beispiel die Siegfriedfigur des Nibelungenliedes mit Harry Potter und Spiderman verglichen. Ziel war es einerseits, aufzuzeigen, dass moderne Heldenbilder narrative Bausteine zur Inszenierung nutzen, die bereits mittelalterliche Erzählungen kennzeichnen, hier also Traditionen fortgeschrieben werden. Andererseits wurde deutlich, dass diese narrativen Bausteine je nach Zeit und Medium variieren: So richtet sich die Prüfungstat heutiger Heldenfiguren nicht mehr gegen Drachen oder einzelne Gegner in einem umgrenzten regionalen Bereich, sondern häufig gegen umfassende weltzerstörende Feinde und Mächte.
Die gemeinsame Veranstaltung von Schule, germanistischer Mediävistik und Medienwissenschaft knüpfte damit sowohl an die aktuelle mediävistische Forschung als auch an die seit Jahren anhaltende Mittelalter-Faszination an. Dabei sollten die Schüler an verschiedene Formen wissenschaftlichen Arbeitens im Bereich kulturwissenschaftlicher Methoden und Praktiken herangeführt und ein lebendiges Netzwerk initiiert werden: für eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Schule und Universität in der Region.
Organisiert und gestaltet wurde das Projekt von Professor Annette Gerok-Reiter und Dr. Claudia Lauer aus der Germanistischen Mediävistik der Universität Tübingen sowie von Oberstudiendirektorin Ute Leube-Dürr vom Uhland-Gymnasium Tübingen, in Kooperation mit dem Lehrstuhl von Professor Dr. Susanne Marschall am Institut für Medienwissenschaften. Das Projekt diente zugleich als Test-Lauf für ein größer angelegtes Kooperationsprojekt zwischen der Universität und Schulen aus der Region, das derzeit am Lehrstuhl für Deutsche Literatur des Mittelalters im europäischen Kontext entsteht. Es widmet sich Kulturmustern des Mittelalters und ihrer Rezeption bis in die Moderne, um die Förderung historischer (Kultur-)Kompetenz in der Schule zu verbessern.
C. L.
Informationen zum Projekt unter: www.germ.uni-tuebingen.de/abteilungen/mediaevistik/lehrstuhl-prof-dr-annette-gerok-reiter/forschung-projekte/forschungsprojekte/universitaet-und-schule.html