Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 2/2022: Leute
Doyen der deutschen Arterioskleroseforschung
Zum Tode von Professor Dr. Eberhard L. Betz ein Nachruf von Richard Meyermann und Helmut Heinle
In aller Stille ist am 16. März 2022 Professor Dr. Eberhard L. Betz, Emeritus am Physiologischen Institut der Universität Tübingen, im 96. Lebensjahr verstorben. Geboren im Nordhessischen, gehörte er zu der Kriegsgeneration, die keinen normalen Start in Studium und Beruf hatte. Bereits mit 17 Jahren wurde er als Luftwaffenhelfer in Frankfurt/M eingesetzt. Daran schloss sich der Arbeitsdienst an, dem dann 1944 die Panzeraufklärung folgte. Das Kriegsende erlebte er in französischer Kriegsgefangenschaft, aus der er 1946 entlassen wurde.
Das Gymnasium besuchte er in Dillenburg, wo die Absolventen nach einem weiteren Jahr (1947) zu ihrer großen Freude ein Notabitur erhielten. Es folgte das Studium der Humanmedizin an der Philipps-Universität Marburg mit Promotion und Approbation 1953. Gegenstand seiner Dissertation waren Fragen zur Herzinsuffizienz. Bis 1959 war er zunächst Assistent an der Medizinischen Klinik in Marburg mit Zwischenstationen in der Kardiologie (Bad Orb) und in der Balneologie (Bad Salzschlirf). Danach folgten Assistenzjahre am Physiologischen Institut der Universität Marburg, die allerdings, da keine Stelle vorhanden war, durch eine einjährige Beschäftigung als Arzt der Deutschen Bundesbahn und eine kurzzeitige Funktion als stellvertretender Leiter der Medizinischen Abteilung des Krankenhauses Alsfeld, unterbrochen wurden. Auch damals konnte es also für Assistenten Stellenprobleme geben, doch hat diese vielseitige klinische Ausbildung ihm einen großen Überblick über viele medizinische Bereiche für seine Tätigkeiten in Forschung und Lehre eröffnet.
Nach seiner Habilitation in Physiologie 1964, in der er sich mit dem Zusammenhang zwischen Durchblutung und Metabolismus im Gehirn beschäftigte, erwarb Prof. Betz sehr schnell den Ruf, dass man als Doktorand bei ihm gut betreut würde. Die Betreuung galt den wöchentlichen Laborergebnissen und auch der Präsentation von Fragestellung und Ergebnis vor einem Fachauditorium, so wie man es heute versucht, durch Promotionsstudiengänge für jeden zu regeln. Alle seine Marburger Doktoranden wurden zu Fachkongressen geschickt, sobald Ergebnisse vorlagen. Als er 1967 einen Ruf nach Tübingen auf eine außerordentliche Professur für Angewandte Physiologie erhielt, gingen zahlreiche Doktoranden als Assistenten mit ihm.
Anfänglich befasste sich Prof. Betz auch in Tübingen mit Untersuchungen zur zerebralen Perfusion, doch wendete er sich nach wenigen Jahren, wohl mit angetrieben durch eigene Krankheitserfahrung, der Arterioskleroseforschung zu. Es gelang ihm rasch, in seinem Institut eine kreative interdisziplinäre Arbeitsgruppe zu diesem Forschungsbereich zu etablieren. Einerseits wurden an einem experimentellen Modell zur Atherogenese, das in Zusammenarbeit mit Professor Dr. Wolfgang Schlote vom Pathologischen Institut entwickelt worden war, zellbiologische Vorgänge untersucht, die zu den landläufig bekannten „Fettablagerungen“ bei der „Arterienverkalkung“ und den oft fatalen Gefäßverschlüssen führen. Andererseits war ihm die Entwicklung von Zellkultursystemen wichtig, die als in-vitro Ersatzmethoden z.B. zur Testung von antiatherosklerotischen Wirkstoffen verwendet werden konnten. Darüber hinaus ermöglichte er in Pionierexperimenten die Testung von arteriellen Stents bzw. Gefäßkathetern, die heute zu den häufigsten interventionellen Therapien in der Kardiologie gehören.
Um auch in Zeiten, in denen an das Internet noch nicht zu denken war, Kooperationen zu vertiefen und Vernetzung zu erreichen, gründete Eberhard Betz 1984 zusammen mit Professor Dr. Werner Hauss, Institut für Arterioskleroseforschung Münster, die Deutsche Gesellschaft für Arterioskleroseforschung, ein Zusammenschluss vieler experimenteller und klinischer Forschergruppen aus dem In- und Ausland. Die wissenschaftlichen Jahrestagungen, die immer im Heinrich-Fabri-Institut in Blaubeuren stattfanden, waren geprägt von der offenen, freundlichen, aber auch hinterfragend-diskutierenden Atmosphäre, die von Herrn Betz ausging, und vor allem für die jüngeren Generationen von Wissenschaftlern in bleibender Erinnerung sind. Der Preis für den jeweiligen besten Poster-Beitrag der Tagung wurde nach Prof. Betz benannt.
Sein Engagement für Institut und Lehre reichten von der Institutsleitung, alternierend mit Professor Dr. Ruthard Jacob, über das Amt des Dekans der Fakultät für Theoretische Medizin (1989-1990) bis zur Beteiligung am studentischen Unterricht in Vorlesung und Praktikum, deren Qualität ihm besonders am Herzen lag. Sein ehemaliges Institut ehrt deshalb die besten Klausuren nach dem Physiologie Praktikum mit dem „Eberhard-Betz-Preis“, bestehend aus einer Urkunde und einem Buch aus seinem umfangreichen schriftstellerischen Oevre
Auch die Aktivitäten, die er nach seiner Emeritierung 1992 entfaltete, belegen seine Kreativität und Vielseitigkeit. Er hat als Hobby-Maler beachtliche Kunstwerke geschaffen und als erfolgreicher Schriftsteller mehrere Bücher mit geschichtlicher oder autobiographischer Thematik veröffentlicht und so seine sehr umfangreiche wissenschaftliche Publikationsliste um einen belletristischen Aspekt vergrößert. Seine Neugier, sich weiter über die Welt zu informieren, und seine Freude, darüber zu diskutieren, erfüllte er sich bis zuletzt durch die aktive Teilnahme an einem schon von Landesbischof Helmut Claß gegründeten Hochschullehrer-Gesprächskreis mit Wissenschaftlern aus allen Disziplinen.
Für uns war vor allem das vorbildhafte Verhalten als Hochschullehrer immer ein Ansporn. Mit seinem Tode verlieren wir einen der großen Wissenschaftler unserer Universität, den wir gern in guter Erinnerung behalten.