Seinen ersten großen wissenschaftlichen Erfolg hatte Dr. Daniel Weiss als Biologe: Das Magazin Nature veröffentlichte eine Arbeit über die embryonale Entwicklung von Fruchtfliegen. Parallel studierte er - mehr aus privatem Interesse – Religionsphilosophie und Judaistik an der Princeton University. Er schloss einen Master in Harvard an. Dann eine Promotion an der University of Virginia und lehrte dort Jewish Studies. Die Religionswissenschaften sind es für ihn geblieben, Daniel Weiss vermutet aber, dass sein Start als Biologe seine Weise zu forschen bis heute beeinflusst. 2010 wechselte er nach Europa, an die Divinity Faculty der Universität of Cambridge in Großbritannien. Mit dem Humboldt-Stipendium für erfahrene Forscher ist Daniel Weiss nun von August 2022 bis Juli 2023 an der Universität Tübingen.
Welchem Forschungsprojekt widmen Sie sich in Tübingen?
Ich möchte herausfinden, in welchem Verhältnis das frühe rabbinische Judentum zum Christentum stand.
Von welcher Zeit reden wir?
Mich interessiert vor allem das dritte Jahrhundert nach Christus. Aus dieser Zeit stammen die ersten Texte des „rabbinischen Judentums“…
…also der Periode nach der Zerstörung des zweiten Jerusalemer Tempels durch die Römer 70 n. Chr., in der einige einflussreiche Rabbiner Ritus und Theologie des Judentums neu prägten.
Viele Gelehrte nehmen ein konfliktträchtiges und feindseliges Verhältnis dieser Rabbiner zum Christentum an. Zum einen ist diese Annahme durch die Schilderung der Pharisäer im Neuen Testament beeinflusst, die ja als sehr kritisch gegenüber Jesus geschildert werden. Manche Autoren nehmen einfach an, dass über zweihundert Jahre später die Einstellung der frühen Rabbiner gegenüber den Christen dieselbe gewesen sein muss. Außerdem gibt es dann im 5. und 6. Jahrhundert tatsächlich einige Textstellen in rabbinischen Schriften, in denen Jesus als ein Magier geschildert wird, der Menschen in die Irre führt. Oder Christen werden als Götzendiener bezeichnet. Aber wie war das Verhältnis in den Jahrhunderten dazwischen wirklich? Ich möchte mir die frühen Texte ohne diese ganzen Annahmen neu ansehen.
Warum sollte das Verhältnis anders gewesen sein?
Weil damals das Christentum noch nicht Staatsreligion des Römischen Reiches war. Erst Kaiser Konstantin verschmolz im 4. Jahrhundert das Römische Reich mit dem Christentum. Zuvor waren sowohl Judentum, als auch die Jesus-Bewegung Minderheiten im Römischen Reich gewesen. Nun gelangten die Christen in eine Position der Macht. Das veränderte viel. In jüdischen Texten des 3. Jahrhunderts wird nur das Römische Reich mit Götzendienst in Verbindung gebracht – das Christentum aber noch nicht. Vielleicht war es also gar nicht die christliche Theologie, die später zum Vorwurf des Götzendienstes führte, sondern die Verbindung des Christentums mit dem Römischen Reich.
Wo lebten zu jener Zeit die christlichen Gemeinden, wo die Rabbiner und Verfasser der Texte?
Das Christentum hatte sich bereits über das ganze Römische Reich und darüber hinaus ausgebreitet. Die rabbinischen Texte des 3. Jahrhunderts stammen alle aus Palästina. Im 5. und 6. Jahrhundert entsteht dann der äußerst wichtig Babylonische Talmud, also in dem Gebiet des heutigen Irak.
Sie interessieren sich für das Verhältnis von Theologie und Politik auch in der Gegenwart und sind Co-Leiter des Projekts „Schrift und Gewalt“ in Cambridge. Warum betreiben Sie das Projekt?
Manche Textstellen in heiligen Schriften wie dem Koran oder der Bibel klingen Gewalt verherrlichend. Viele Leserinnen und Leser heute fragen sich, was diese Passagen Menschen bedeuten, denen der Koran oder die Bibel heilig sind. Sind diese Gläubigen dann eher bereit, selbst Gewalt anzuwenden? Das Projekt untersucht diese Sichtweisen auf das Gegenüber. Meistens sind die Menschen ja nur wegen der Textstellen in den heiligen Schriften der Anderen besorgt – nicht wegen der eigenen. Die Verbindung zu meinem jetzigen Forschungsvorhaben ist die Frage, inwieweit Menschen unterschiedlichen Glaubens feindselige Haltungen gegenüber der anderen Gruppe entwickeln können. Diese Feindseligkeit dürfen wir aber nicht zu schnell annehmen, sondern müssen genau hinschauen.
Das Humboldt-Stipendium lässt ihnen freie Wahl für ihren Aufenthalt an einer Universität in Deutschland. Warum haben Sie sich Tübingen für ihre Forschung ausgesucht?
Ich hatte bereits eine Konferenz in Großbritannien mit Professor Holger Zellentin organisiert. Er forscht in Tübingen an der evangelisch-theologischen Fakultät zum Verhältnis zwischen Christentum, Islam und Judentum in der Spätantike. Er hat eine Dissertation in den USA darüber geschrieben, wie in jüdischen Texten christliche Geschichtenerzählt werden – meist leicht verzerrt oder gar als Parodie. Wir interessieren uns beide sehr für interreligiöse Beziehungen zwischen Islam, Judentum und Christenheit. Deshalb wollte ich gerne zu Herrn Zellentin als akademischen Partner für mein Stipendium.
Sie müssen ja nun viele alte Texte studieren. Finden Sie die denn in Tübingen?
Oh ja, die theologische Bibliothek ist ausgezeichnet sortiert. Ich habe dort im August jeden Tag zugebracht und viel rabbinische Primärliteratur gelesen, aber auch Sekundärliteratur und kritische Ausgaben auf Hebräisch sind vorhanden. Es war wunderbar.
Das Interview führte Tilman Wörtz
Wann: Mittwoch, 9. November 2022, 18.30 Uhr
Wo: Neue Aula, Geschwister Scholl Platz, Tübingen, Großer Senat
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