als 1972 der Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ erschien, waren die Reaktionen vielfach kritisch bis negativ. Eine kleine Gruppe von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hatte im Auftrag des „Club of Rome“ mit neuartigen Computermodellen errechnet, dass Wirtschaft und Gesellschaft bis zum Jahr 2100 weltweit kollabieren werden, wenn wir nicht damit aufhören, die Ressourcen des Planeten systematisch zu plündern. Vor 50 Jahren erschien das vielen Zeitgenossen als weltfremde Spinnerei, bis der Nahostkrieg und die Ölkrise 1973 erstmals die fundamentale Abhängigkeit aller Industriestaaten von fossilen Rohstoffen deutlich machten.
Ein halbes Jahrhundert später stecken wir wieder in einer Krise, die von einem Krieg und der anschließenden Verknappung und Verteuerung fossiler Rohstoffe ausgelöst wurde. Und wieder sind die Folgen ähnlich: Versorgungsengpässe, stark steigende Preise und schrumpfende finanzielle Spielräume. Für die Universität Tübingen bedeuten die steigenden Energiepreise nach vorsichtigen Schätzungen im laufenden Jahr Mehrausgaben von rund drei Millionen Euro und im kommenden Jahr Mehrausgaben von acht bis neun Millionen Euro. Verglichen mit dem Jahr 2021 droht der Universität damit ein Anstieg der Energiekosten von rund 80 Prozent in nur zwei Jahren.
Dazu kommen rasant steigende Preise in fast allen Bereichen des Materialeinkaufs. Auch wenn die Landesregierung den Universitäten inzwischen Hilfe zugesagt hat, ist offenkundig, dass die Regierung im Gegenzug energische Sparanstrengungen seitens der Hochschulen sehen möchte. Beim Energieverbrauch werden von uns Einsparungen von mindestens 20 Prozent erwartet. Dies wird nur gelingen, wenn in den kommenden Monaten alle Hochschulangehörigen – Studierende und Beschäftigte – ihren Beitrag zum Energiesparen leisten.
1,1 Milliarden Euro ist die vielleicht schwindelerregendste Zahl, mit der ich in meinen ersten Wochen als Rektorin konfrontiert wurde. Auf diese Summe bezifferte eine unabhängige Kommission vor wenigen Jahren den Sanierungs- und Modernisierungsstau an der Universität Tübingen. Für viele Beschäftigte und Studierende materialisiert sich diese Zahl in Form von einfach verglasten oder schlecht schließenden Fenstern oder unzureichend gedämmten Decken und Wänden.
Das Ausmaß des Sanierungsbedarfs zeigt aber auch, dass wir nicht warten können, bis das letzte Universitätsgebäude energetisch auf der Höhe der Zeit ist. Dies würde viel zu lange dauern. Wir müssen jetzt etwas tun. Aus diesem Grund hat die Hochschulleitung die Kampagne „Einfach Energie sparen“ gestartet. Gefragt sind jetzt kreative Strategien, aber auch Verhaltensänderungen, um schnell einen Effekt zu erzielen und die stellenweise immer noch anzutreffende unreflektierte Verschwendung von Energie zu stoppen. Das Licht auszuschalten und die Heizung herunterzudrehen, wenn ein Raum gerade nicht genutzt wird, sind Verhaltensweisen, die für alle an der Universität selbstverständlich werden müssen.
Dies wird uns helfen, über den nächsten Winter zu kommen, ist auf mittlere und lange Sicht aber natürlich keine ausreichende Lösung. Die Universität wird daher u.a. in den kommenden Jahren gegenüber der Landesregierung verstärkt darauf drängen, dass die Energiebilanz unserer Gebäude schrittweise, aber kontinuierlich verbessert wird. Dies gilt vor allem für diejenigen Bauten, die in den Jahrzehnten errichtet wurden, bevor die erste Ölkrise 1973 den Begriff Energiesparen erstmals auf die Tagesordnung brachte. Zu meiner Freude hat die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät eine Task Force zum Energiesparen gegründet. Dies scheint mir ein erster richtiger Schritt zu sein in Richtung hin auf den Beitrag, den die Universität zu diesem wichtigen Problem leisten kann und muss.
Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre des Newsletters.
Ihre
Professorin Dr. Karla Pollmann, Rektorin