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Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 4/2024: Leute

Er führte das schönste physikalische Experiment aller Zeiten in Tübingen durch

Zum Tode von Professor Dr. Claus Jönsson ein Nachruf von Amand Faessler

Am 25. August 2024 ist Professor Dr. Claus Jönsson in Tübingen verstorben.  Er war von 1974 bis zu seiner Pensionierung bis 1995 Professor für Angewandte Physik mit Schwerpunkt Elektronenmikroskopie der Universität Tübingen.

Die Physiker werden sich für alle Zukunft an Claus Jönsson erinnern, als demjenigen, dem es als erstem gelungen ist in seiner Doktorarbeit bei Professor Dr. Möllenstedt 1959 (publiziert in Zeitschrift für Physik 161 (1961), S. 454-474) in Tübingen das Experiment der Interferenzstreuung von Elektronen am Doppelspalt durchzuführen. Dieses Experiment galt lange Zeit als undurchführbar. Das Experiment wurde von den britischen Kollegen zum „schönsten Experiment aller Zeiten“ gewählt. Im Jahre 2002 fragte die Britische Physikalische Gesellschaft in ihrer Zeitschrift „Physics Today“ nach den schönsten Experimenten aller Zeiten. Absteigend nach Anzahl der Stimmen wurden gewählt:

  1. Das Doppelspaltexperiment mit Elektronen. (Claus Jönsson, 1959 Tübingen).
  2. Galileo´s Experiment der fallenden Körper. (Galileo Galilei, um 1600 Padua und Pisa.)
  3. Millikans Öltröpfchen-Experiment zur Bestimmung der Elementarladung. (Robert Andrews Millikan, 1910, Pasadena).
  4. Newtons Zerlegung des Sonnenlichts in die Spektralfarben des Regenbogens mit einem Prisma (Isaak Newton um 1666, Cambridge und London).
  5. Young´s Interferenz-Experiment mit Licht (Thoma Young um 1800 , London).
  6. Cavendish´s  Torsions-Experiment zur Messung der Erdmasse und der Gravitationskonstanten (Henry Cavendish, um 1797, London.).
  7. Eratosthenes Messung des Erdumfangs (Eratosthenes, dritter Direktor der Bibliothek in Alexandria,  um 220 vor Christus.).
  8. Galileo´s Experiment mit rollenden Kugeln auf schiefer Ebene  (Galileo Galilei um 1600 Padua).     
  9. Rutherfords Entdeckung des Atomkerns mit dem Geiger-Marsden-Experiment mit Alpha-Teilchen-Streuung. (Ernest Rutherford 1911, Manchester).
  10. Foucault-Pendel zum Nachweis der Rotation der Erde (Léon Foucault, 1851 Paris).

Nach Bekanntwerden des Resultats stimmten zwar die Britischen Kollegen überein, dass die Elektronenstreuinterferenz am Doppelspalt das schönste Experiment aller Zeiten ist, doch es war den Britischen Kollegen nicht bekannt, wer als erster dieses „schönste Experiment aller Zeiten“ durchgeführt hat. 

Es war sicher ein Glück, dass Claus Jönsson dieses Experiment in seiner Doktorarbeit bei Professor Möllenstedt angegangen ist. Möllenstedt, von 1966 bis 1968 auch Rektor der Universität Tübingen, galt als deutscher Papst der Elektronenmikroskopie. Nur in seinem Institut war es möglich, Elektronenstrahlen höchster Präzession herzustellen und durch elektromagnetische Linsen zu manipulieren. Elektronen galten lange als geladene Kugeln. Erst die Quantenmechanik zeigte, dass sie auch Wellennatur haben. 

Spektakulär war ein Experiment von Jönsson, bei dem er die Intensität des Elektronenstrahls so erniedrigte, dass garantiert nur ein Elektron jeweils in der Apparatur war. Dennoch entstand das Interferenzmuster. Das eine Elektron musste also gleichzeitig durch beide Spalten gehen, um die Interferenzfigur zu erzeugen. 

Claus Jönsson ist in Berlin-Charlottenburg 1930 geboren und in einer nördlichen Vorstadt von Hamburg aufgewachsen. Als er 1953 zum Studium der Physik nach Tübingen kam hatte die Universität etwa 4000 Studierende. Heute sind es etwa 28.000 in einer Stadt von 91.000 Einwohnern, wobei die Studierenden schon mitgezählt sind. Schon 1953 gab es ein Wohnungsproblem für die Studierenden, so dass Claus Jönsson ein Zimmer in der 12 km entfernten Bischofsstadt Rottenburg am Neckar mieten musste. 

Nach vielen durchwachten Nächten sah er eines morgens die gesuchten Interferenzstreifen. Er rief als Zeugen einen anderen Doktoranden W. Dietrich, der auch die Nacht durchwacht hatte. Der kam, sah und rief: „Do send se jo de Stroife.“ Oder: „Veni, vidi, vici.“ wie es Caesar formuliert hätte. Doch auf Schwäbisch klingt es angemessener.

Claus Jönsson war ein sehr angenehmer Kollege, der auch mir als Theoretiker mit viel Geduld die Schwierigkeiten seines Experiments erklärte.  Mit dem schönsten Experiment aller Zeiten, das lange als nicht machbar galt, wird er den Physikern auch in Zukunft in Erinnerung bleiben und die Universität Tübingen kann stolz auf ihn sein.