Projektbereich E: Diagnose – Bewältigungspraxis
Wie bereits in der zweiten Förderperiode widmet sich der Projektbereich E der zentralen Achse des Modells Bedrohter Ordnungen zwischen Bedrohungsdiagnose und Bewältigungspraxis. Die Interaktion zwischen diesen beiden Elementen Bedrohter Ordnungen ist von Lerneffekten und wechselseitigen Anpassungen geprägt. Ziel der Arbeit des Projektbereichs E ist es, über Zeiten und Räume hinweg generalisierbare Muster der Wechselwirkung zu identifizieren, ihre innere Logik herauszuarbeiten sowie deren Bedeutung für das Modell Bedrohter Ordnungen zu klären. Die Teilprojekte des Projektbereichs sind so zusammengestellt, dass sie epochenübergreifendes und interdisziplinäres Arbeiten ermöglichen.
Einzeluntersuchungen:
Der Projektbereich E verfolgt damit zugleich die vier langfristigen Forschungsziele des SFB 923. Für die Historisierung aktueller Krisendiagnosen bieten sich in den Teilprojekten vielfältige Optionen an (z.B. Wirtschaftskrisen, urbane Diversifizierung, Fluchtmigration). Die fächer- und epochenübergreifende Zusammenstellung von Teilprojekten erlaubt es, gemeinsam konventionelle Raum- und Zeitkategorien zu hinterfragen und zu überdenken. Die Grundlagenreflexion der Sozial- und Kulturwissenschaften unter den Bedingungen der Globalisierung wird durch die thematische Ausrichtung der Teilprojekte gewährleistet. Zwar kommt der Achse zwischen Bedrohungsdiagnose und Bewältigungspraxis, die im Projektbereich E untersucht wird, im Prozess des re-ordering eine zentrale Rolle zu, allerdings kann ein umfassendes Verständnis von Bedrohten Ordnungen erst in enger Kooperation mit den Projektbereichen F und G entwickelt werden.
In der dritten Förderperiode soll spezielles Augenmerk auf die vier empirisch identifizierten Muster des re-ordering sowie die synchronen und diachronen Interdependenzen zwischen Ordnungen gelegt werden. Im Hinblick auf die Bewältigungspraxis sollen die bereits identifizierten Muster der (Re‑)Hierarchisierung und der Grenzziehung zwischen Gruppen und Ordnungen eingehender untersucht und auf ihren theoretischen Stellenwert hin befragt werden (insbesondere E01, E02, E06). Im Fall der Bedrohungsdiagnose soll verstärkt auf die Wirkung und Relevanz von Bedrohungstopoi und Identitätsnarrativen fokussiert werden (vgl. E04). Zusätzlich gilt es den Stellenwert von diachronen (E04) und synchronen Interdependenzen (E01, E02, E06) für die Wechselwirkung zwischen Bedrohungsdiagnose und Bewältigungspraxis zu klären. Hinsichtlich diachroner Interdependenzen lässt sich danach fragen, welche Rolle Vorerfahrungen mit ähnlichen Bedrohungen für die Wechselwirkung zwischen Diagnose und Bewältigungspraxis spielen. Es ist anzunehmen, dass es einen Unterschied macht, ob eine Diagnose bzw. eine Form der Bewältigungspraxis in der Vergangenheit bereits erprobt wurde oder ob Akteure auf neuartige Herausforderungen reagieren müssen. Wir vermuten, dass dadurch insbesondere die Feedback-Schleifen zwischen Diagnose und Bewältigungspraxis beeinflusst werden. Ein interessanter Fall diachroner Interdependenz, auf den besonders geachtet werden soll, sind Thematisierungen von Zukunft (z.B. Utopien, Dystopien, Katastrophenpläne), die außerhalb von Bedrohungssituationen entwickelt wurden, aber innerhalb dieser im Rahmen von Bedrohungsdiagnosen und Bewältigungspraxis mobilisiert werden können.
Darüber hinaus soll die Relevanz und Wirkung synchroner Interdependenzen auf die Beziehung von Bedrohungsdiagnosen und Bewältigungspraxis im Projektbereich E eingehender untersucht werden. Synchrone Interdependenzen entstehen beispielsweise durch den Import oder Export von Wissen, Technologien, Handlungsschemata und Akteuren aus parallelen bzw. unter- oder übergeordneten Ordnungen. Auch spielen wechselseitige Beobachtung und Mimesis eine Rolle; und es finden sich Phänomene, die als Resonanz oder Reaktivität bezogen auf Umweltereignisse in benachbarten Ordnungen verstanden werden können. Bewältigungspraxis kann zu synchronen Interdependenzen zwischen (Sub‑)Ordnungen führen, wie beispielsweise Allianzbildungen und strukturellen Kopplungen.
Das Herausarbeiten der Muster und Mechanismen synchroner und diachroner Interdependenzen im Hinblick auf das Verhältnis von Bedrohungsdiagnose und Bewältigungspraxis bildet einen besonderen Schwerpunkt der Arbeit des Projektbereichs . Dies verlangt nicht zuletzt die Entwicklung einer geeigneten Theoriesprache, die es erlaubt, die Erkenntnisse des Projektbereichs konzeptionell in das Modell Bedrohter Ordnungen zu integrieren.