Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 3/2012: Schwerpunkt Korea

Auslandssemester in Korea oder Tübingen?

Interview mit zwei Auslandsstudierenden in Tübingen und Korea

Stefan Schmidt aus Tübingen ist zurzeit in Korea, Sieun Shin aus Korea absolviert ihr Auslandssemester in Tübingen. Im Interview erzählen beide von den Unterschieden zwischen ihrer Heimat und ihrem derzeitigen Wohnort, was sie an der Heimat vermissen und was sie künftigen Auslandsstudierenden raten.

Stefan Schmidt (22), Koreanistik im Hauptfach und Geschichtswissenschaften im Nebenfach an der Universität Tübingen

Warum haben Sie sich für Ihr Austauschstudium für Seoul entschieden?

Schmidt: Das war gewissermaßen ein Automatismus. Die Tübinger Koreanistik hat dieses Jahr das Tübingen Center for Korean Studies an der Korea Universität (KU) in Seoul eröffnet. Im Rahmen dieses Abkommens ist jedem Hauptfachstudenten der Koreanistik in Tübingen auch ein Platz an der KU zugesichert. Ich war im Allgemeinen an Asien interessiert und bin dann letztendlich bei der Koreanistik gelandet, die im Vergleich zu den anderen Asienwissenschaften in Deutschland doch noch relativ unterrepräsentiert ist.

Welches sind aus Ihrer Sicht die Unterschiede zum Studium in Ihrer Heimat und hier? Sind auch die Studenten anders?

Schmidt: Das koreanische Bildungssystem, insbesondere die Universitäten, sind sehr auf Rankings ausgerichtet. Die Korea Universität in Seoul ist je nachdem welches Ranking man sich ansieht meistens auf Platz 2. Um in eine der Top Unis aufgenommen zu werden, muss man zum einen über die nötigen finanziellen Mittel verfügen und zum anderen auch in der Abschlussprüfung der Highschool zu der Spitze gehören. Auf diese Prüfung lernen die Koreaner in den letzten zwei Jahren ihrer Schulzeit täglich, was hauptsächlich aus Auswendiglernen besteht. An der Uni wird dann von den Studenten verlangt, selbst Argumente zu entwickeln und nicht nur Fakten wiederzugeben. Nach meiner Beobachtung haben einige Studenten noch Probleme damit. Man kann sagen, dass die Studenten vor den Prüfungen generell unentspannter sind und sich auch, im Vergleich zu Deutschen, wesentlich länger darauf vorbereiten.

Was vermissen Sie in Korea am meisten?

Schmidt: Allgemein vermisse ich die kurzen Wege in Tübingen. Als ich im Jahr 2010 aus einem 1800 Seelen Dorf in Franken nach Tübingen gezogen bin, hatte Tübingen für mich schon so eine gewisse Art von Großstadtcharakter. Bei Seoul mit seinen knapp elf Millionen Einwohnern relativiert sich diese Einschätzung natürlich wieder ein bisschen. Was ich hier doch am meisten vermisse aus Deutschland sind Wurst, Brot und Käse. Ich hatte ja am Anfang ein bisschen Bedenken ob ich hier denn auch Zugang zu deutschem Bier hätte, aber das gibt es hier auch glücklicherweise und auch noch relativ erschwinglich.

Was gefällt Ihnen in Korea besser?

Schmidt: An der Universität hier gibt es einen echten "Team Spirit", was natürlich auch mit dem Prestige der Uni zusammenhängt. Es gibt riesige Veranstaltungen wo alle Studenten die Farben und die Logos der Universität tragen und zusammen feiern oder sich in diversen Wettkämpfen mit anderen Universitäten messen. Auch muss ich sagen, dass die Ausstattung der KU im Schnitt besser ist als Tübingen, keine knarzenden Stühle oder alte Tische. Hier haben alle Zimmer Beamer und Klimaanlagen ̶ aber bei all dem Lob muss man natürlich auch sehen, dass die Studenten hier zwischen 3500 und 5000 Euro pro Semester an Studiengebühren zahlen. Das sollte ja kein Ziel sein. Am Land allgemein gefällt mir sehr gut, dass alles sehr bequem zu erledigen und serviceorientiert ist.

Daran mussten Sie sich erst gewöhnen…

Schmidt: Die koreanische Küche schmeckt mir mittlerweile recht gut. Aber das koreanische Essen ist doch meistens recht scharf, hinzu kommt noch, dass die Koreaner scheinbar auch ein anderes Schärfeempfinden haben als die Deutschen. Auch ist die Kultur des Essenteilens auch anfangs ein bisschen gewöhnungsbedürftig, so werden beispielsweise alle Gerichte geteilt und von gemeinsamen Platten gegessen, sogar Suppen und Eintöpfe.

An der Uni selbst war es natürlich erst mal etwas ganz anderes, weil ich von Tübingen her ja auch keinen Campus gewohnt war. Hier hat mich aber ein großer und auf den ersten Blick unübersichtlicher Campus erwartet.

Haben Sie einen Tipp für zukünftige Austauschstudierende, die nach Seoul kommen?

Schmidt: Nach jetzt guten vier Monaten in Korea kann ich sagen, dass man sich recht schnell an alles hier gewöhnt. Alles in allem lässt es sich in Seoul gut aushalten, das Flair ist international aber trotzdem noch asiatisch genug um jeden Tag festzustellen, dass man sich am anderen Ende der Welt befindet. Deswegen sollte man vorher schon anfangen ein bisschen Koreanisch zu lernen. Die Schrift lässt sich sehr schnell und leicht lernen und es hilft enorm wenn man alles lesen und sich schon ein bisschen verständigen kann, da die ältere Generation eher selten Englisch spricht.

Sieun Shin (26), Masterstudiengang Linguistik des Deutschen an der Korea Universitaet, Seoul

Warum haben Sie sich für Ihr Austauschstudium für Tübingen entschieden?

Shin: Im Jahr 2005 war ich bereits für fünf Monate in Regensburg. Deswegen wollte ich meine Zeit in Deutschland an einem anderen Ort verbringen. Natürlich war ein Grund, warum ich mich für Tübingen entschieden habe, dass die Stadt sehr schön ist. Aber für mich war am interessantesten, dass die Uni Tübingen verschiedene Vorlesungen und Seminare anbietet. Ich habe gehört, dass die Uni Tübingen als einzige in Deutschland das Fach Rhetorik anbietet. Das ist für mich spannend. Außerdem gibt es viele „Deutsch als Fremdsprache“-Kurse für Austauschstudenten.

Welches sind aus Ihrer Sicht die Unterschiede zum Studium in Ihrer Heimat und hier? Sind auch die Studenten anders?

Shin: In Deutschland gibt es zwei Arten von Unterricht: Vorlesung und Seminar. In Korea gibt es dagegen in der Regel nur Vorlesungen. Deswegen sind Seminare für mich sehr interessant. Sonst ist fast alles im Unterricht ähnlich: In Korea haben die Studenten auch Referate und Hausarbeiten für jede Vorlesung. Allerdings gibt es etwas ganz Neues für mich: Der Prüfungsamt! In Tübingen muss man seine Prüfung dort anmelden. Das ist ganz anders und für mich ein bisschen kompliziert. In Korea muss man automatisch Prüfungen machen, wenn man an einem Unterricht teilnimmt. Außerdem finde ich, dass deutsche Studenten lockerer und aktiver im Unterricht sind als koreanische Studenten. Das heißt, die deutschen Studenten nehmen aktiv am Unterricht teil.

Was vermissen Sie in Tübingen am meisten?

Shin: Ehrlich gesagt vermisse ich alles! Ich vermisse vor allem meine Familie, Freunde und koreanisches Essen. In Korea haben viele Läden und Restaurants täglich bis 22 Uhr und fast alle Kneipen bis 4 Uhr geöffnet. In Tübingen gibt es nach 18 Uhr niemanden auf der Straße. Es ist wirklich unbequem, dass man früh nach Hause gehen muss und sonntags nicht einkaufen kann. Außerdem ist die Verwaltung in Deutschland sehr langsam und die Dienstleistung nicht so gut. Dagegen erledigt sich in Korea alles sehr schnell und die Leute sind sehr freundlich.

Was gefällt Ihnen in Tübingen besser?

Shin: Der Universitätsstadt entsprechend ist Tübingen perfekt für das Studium. In Korea war ich immer beschäftigt und hatte immer viel zu tun. Aber in Tübingen ist die Stadt klein und es gibt nicht viel zu tun, deshalb kann ich mich auf mein Studium konzentrieren. Und Tübingen ist sehr umweltfreundlich. Es gibt den Botanischen Garten, die Platanenallee auf der Neckarinsel und die Wälder rund um Tübingen. Ich kann mich entspannen und erholen. Außerdem ist das Reisen in Deutschland für Asiaten ein großer Vorteil. In Korea muss ich immer fliegen, um Ausländer zu besuchen. Die Reise in andere Länder ist so einfach hier.

Daran mussten Sie sich erst gewöhnen…

Shin: Für mich war es nicht schwierig, mich an Tübingen zu gewöhnen. Das Universitätsleben in Tübingen ist nicht anders als in Korea. Die Schwierigkeiten, die ich habe, sind nur Heimweh und deutsches Wetter.

Haben Sie einen Tipp für zukünftige Austauschstudierende, die nach Tübingen kommen?

Shin: Ich würde zukünftigen Austauschstudierenden sagen: ‘Bereitet viel vor! Meine Freundin und ich hatten einige Schwierigkeiten mit dem Wohnheim und dem Visum. Alles ist nicht einfach. Ihr solltet euer Wohnheim so schnell wie möglich anmelden, ansonsten müsst ihr im Hostel bleiben. Aber Tübingen ist sehr schön! Viel Spaß in Tübingen’.