Uni-Tübingen

Forschungsinitiativen im Bereich von Religion, Kultur und Gesellschaft

Hier finden Sie einen Überblick von Forschungsprojekten, die mit Beteiligung von Religionsforscher:innen an der Universität Tübingen bearbeitet werden und an den Schnittfeldern von Religion, Kultur und Gesellschaft entstehen.

European Research Council

ERC: The Qur‘an as a Source for Late Antiquity

The Qur’an’s message to the populations of Mecca and Medina must be understood in the context of its sustained and critical engagement with the Jewish and the Christian traditions. QaSLA complements and redevelops this approach from the ground up by utilizing the Qur’an, in an inter-disciplinary perspective, as witness to the history of Judaism and Christianity, in two unprecedented ways. The Qur’an, firstly, will become the primary literary source allowing us to sketch the religious landscape of the Arabian Peninsula at the turn of the seventh century C.E. Secondly, the Qur’an’s testimony to the religious culture of its contemporaries will enable us to approach the development of Jewish and Christian culture throughout Late Antiquity from a new perspective.
QaSLA’s main innovation consists in turning the table on the predominant hermeneutics of Western approaches to the Qur’an, which tend to focus on the question of how the Qur’an is influenced by Judaism and Christianity. By taxonomizing the religious profiles reflected in the demonstrable interface between the Qur’an and its Jewish and Christian contemporaries, the project first reorients and then revamps this approach. QaSLA initially analyses the affinity between the Qur’an and known forms of Judaism and Christianity surrounding Arabia in order to identify which cultural and ritual practices circulated within the peninsula, along with biblical, exegetical, homiletic, legal, narrative, theological, and poetic traditions. It furthermore employs the Qur’an as a new vantage point from which to reconsider broader late antique religious trends across the Middle East. QaSLA combines expertise across disciplines to create a novel local Arabian and an enhanced longitudinal Middle Eastern understanding of Rabbinic Jewish and Syriac, Ethiopic and Arabic Christian cultures. In a final step, the project then returns to portray the Qur’an in sharper contradistinction to more clearly defined forms of Judaism and Christianity. Zur Seite des Forschungsprojektes

Forschungsgruppen

FOR 2828: De/Sakralisierung von Texten

Die Forschungsgruppe geht davon aus, dass in Gesellschaften Texte zirkulieren, die insgesamt oder für bestimmte Gruppen einen normativen und identitätsstiftenden Charakter haben und denen eine signifikante Autoritäts- und Relevanzdifferenz zu anderen Texten zugeschrieben wird. Sie sind mit kulturellen und religiösen Praktiken des Gebrauchs, d.h. der Auslegung, der Inszenierung und Attribuierung verbunden, durch die ihre Besonderheit und ihre Geltungsansprüche hervor- und zum Ausdruck gebracht werden. Diese Prozesse bezeichnen wir als Sakralisierung. Neben den vermeintlich offensichtlichen Beispielen für sakralisierte Schriften, denkanonischen Büchern von Religionsgemeinschaften, interessieren wir uns auch für sakralisierte Schriften im Bereich der Literatur, des Rechts und der Politik.

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FOR 2973: Katholischsein in der Bundesrepublik Deutschland. Semantiken, Praktiken und Emotionen in der westdeutschen Gesellschaft 1965-1989/90

Die DFG-Forschungsgruppe 2973 stellt die Frage: „Was kommt nach dem ‚katholischen Milieu‘?“ – religionskulturell, politisch, gendertheoretisch? Unsere zentrale These: Der überkommene Katholizismus löst sich nicht einfach in die Säkularisierung hinein auf. Vielmehr gehen aus der Sozialform des katholischen Milieus diversifizierte Gestaltungen des „Katholischseins“ hervor. Diese prägen Gesellschaft und Kultur der Bonner Republik neu und erheblich mit. Kirchliche Zeitgeschichte wird zugleich allgemeine Zeitgeschichte.

Der deutsche Katholizismus des 19. und 20. Jahrhunderts wurde über Jahrzehnte als kirchengebundene, sozial formierte Gruppe erforscht. Nun steht ein grundlegender Paradigmenwechsel an. Es ist der Wandel (1) unseres Forschungsgegenstandes, und (2) unserer Fragestellung, die uns dazu veranlassen. Und daran orientieren wir auch unsere (3) Analyseebenen.

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FOR 2496: Migration und Mobilität in Spätantike und Frühmittelalter

In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich die Spätantike- und Frühmittelalterforschung international sehr dynamisch entwickelt. Ein eigenes Feld mit neuen Publikationsorganen, Arbeitsgruppen und eigenen Tagungen beginnt sich zu etablieren, in dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen über die klassische Epochen-scheide zwischen Antike und Mittelalter hinweg äußerst fruchtbar zusammenarbeiten. Dabei haben in diesem Bereich zuletzt zwei Problemkreise die Debatten dominiert: die Frage nach der sozialen Bedeutung und den historischen Folgen ethnischer Identitäten; und die Frage nach dem Charakter des Übergangs von der römischen in eine post-römische Welt. In diesen beiden Arbeitsfeldern sind zwar mittlerweile wesentliche Ergebnisse erzielt worden, zuletzt haben die Diskussionen jedoch insofern an Dynamik verloren, als mittlerweile etablierte Positionen und Paradigmen Verfestigungstendenzen aufweisen. Die hier beantragte Kolleg-Forschergruppe hat das Ziel, die Diskussionen in diesem Feld neu zu beleben, indem sie andere Fragen zentralstellt: Statt von dem Problem der Ethnizität geht sie von Fragen der Mobilität und der Migration aus; statt die Forschung dabei im Wesentlichen auf die Zeit der sogenannten "Völkerwanderung" zu beschränken, weitet sie den Blick bewusst bis in die Jahre um 900; statt Mobilität als Bewegung von militärisch oder ethnisch definierten Großgruppen im Raum engzuführen, fokussiert sie verschiedene Formen von Mobilität (bis hin zur Mobilität von Geistlichen oder agrarischen Arbeitskräften) und deren Auswirkungen auf lokale Gesellschaften und begreift Migration und Mobilität damit als ein Spektrum mit fließenden Übergängen, das historisch vergleichend zu analysieren ist. Die Kolleg-Forschergruppe verfolgt damit zwei Ziele: Sie möchte erstens das innovative, dynamische und auch mit Blick auf Forschungsansätze und Interdisziplinarität hochinteressante Feld der Spätantike- und Frühmittelalterforschung weiter strukturieren und international fester etablieren. Und sie möchte zweitens eine grundlegend neue Perspektive auf die Jahrhunderte des Wandels von der römischen zur poströmischen Welt in ihrer Leistungsfähigkeit erproben. Wir sind überzeugt, dass wir auf diese Weise Ergebnisse erarbeiten, mit denen wir relevante empirische Daten auch für gegenwartsnah arbeitende Disziplinen zur weiteren Modell- und Theoriebildung verfügbar machen können. Zugleich können wir aktuelle Theorien zu Migration und Mobilität an historischen Phänomenen in ihrer Reichweite testen. Auf diese Weise soll die Kolleg-Forschergruppe nicht zuletzt auch einen eigenen, wichtigen Beitrag zur Analyse eines in unserer Gegenwart politisch, wirtschaftlich, kulturell und sozial hochbedeutenden Phänomens leisten können.

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Sonderforschungsbereiche

SFB 1391: Andere Ästhetik

Der SFB 1391 Andere Ästhetik untersucht Texte, Bilder und Objekte der europäischen Vormoderne. Gefragt wird danach, wie diese ihren ästhetischen Status bestimmen. Ziel ist es, den Beitrag einer 2000-jährigen Kulturgeschichte vor dem 18. Jahrhundert für ein Verständnis des Ästhetischen sowie für die aktuellen Debatten um Kunst und Gesellschaft neu aufzuzeigen. Hierfür arbeiten in einem breiten interdisziplinären Zugriff 16 Fächer von der Archäologie über die Kunst- und Musikwissenschaften sowie die Alt- und Neuphilologien bis hin zu Geschichtswissenschaft und Theologie zusammen.

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SFB 1070: RessourcenKulturen

Die Frage, was Gesellschaften von der Frühgeschichte bis heute benötigen, um zu entstehen, sich zu erhalten und zu verändern, steht im Mittelpunkt eines neuen kulturwissenschaftlichen Forschungsverbundes an der Universität Tübingen. Es soll erforscht werden, wie unterschiedliche Gesellschaften Ressourcen definieren, bewerten, sich aneignen und nutzen. Mehr als 60 Wissenschaftler aus rund zwölf wissenschaftlichen Disziplinen widmen sich in über 20 Teilprojekten seit dem Jahr 2013 diesen Fragen in bisher nie möglicher historischer Tiefe und geographischer Breite. Ziel ist es, Modelle zu entwickeln, die den Zusammenhang von kulturellen Vorstellungen und Werten, materiellen wie immateriellen Mitteln (Ressourcen) und sozialen Entwicklungen über lange Zeiträume und große Distanzen sichtbar machen. Gefördert wird der SFB 1070 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft bereits in der dritten von drei möglichen Förderperioden von jeweils vier Jahren. Archäologen, Ethnologen, Geographen, Historiker, Altphilologen und Wirtschaftshistoriker wollen klären, wie etwas zu einer Ressource für gesellschaftliche Entwicklungen wird und welche sozialen Dynamiken der Bedarf und die Nutzung dieser Ressourcen auslöst. Sie gehen von der Beobachtung aus, dass Gesellschaften in unterschiedlichen Zeiten und Orten ganz eigene Vorstellungen davon entworfen haben, was für ihr Zusammenleben von besonderem Wert ist.

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SFB 923: Bedrohte Ordnungen

Finanz­krisen, Natur- und Technik­katastrophen, Terror­anschläge und die Flucht vor Terror haben welt­weit tiefe Spuren in Politik, Wirtschaft, Gesell­schaft und Kultur hinter­lassen. Ex­treme Situa­tionen be­einträchtigen das all­tägliche Leben. Sie machen uns be­wusst, wie brüchig und voraus­setzungsvoll die Grund­lagen unseres Lebens und Handelns sind. Ex­treme Situa­tionen können auch zu einem raschen Wan­del der sozialen Wahr­nehmungs- und Handlungs­muster führen.

Ausgehend von den genannten Bedrohungs­szenarien fragt der Sonder­forschungs­bereich (SFB) 923, was in sozialen Ordnungen passiert, in denen Akteure zu der Überzeugung gelangen, dass Handlungs­optionen unsicher werden, Verhaltens­weisen und Routinen infrage stehen, sie sich jetzt oder in naher Zukunft nicht mehr auf­einander verlassen können, und wenn es ihnen gelingt, eine Bedrohungs­kommunikation zu etablieren.

In seiner dritten Förder­phase (2019–2023) gliedert sich der SFB 923 in die drei Projekt­bereiche "Bedrohungs­diagnose – Bewältigungs­praxis", "Mobilisierung" und "Re­flexion". Darin integriert sind 17 Teil­projekte, die inter­disziplinär, historisch oder gegenwarts­nah sowie raum­übergreifend angelegt sind und dem SFB helfen, seine vier lang­fristigen Forschungs­ziele zu erreichen:

  1. Historisierung aktueller Krisen­diagnosen
  2. Unter­suchung der Modi schnellen sozialen Wandels
  3. Erneuerung der Raum- und Zeit­kategorien der Sozial- und Kultur­wissen­schaften
  4. Grundlagen­reflexion in den Sozial- und Kultur­wissen­schaften unter den Bedingungen der Globalisierung.

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Weitere Forschungsbereiche

Emmy-Noether-Forschungsgruppe: Religiöser Konflikt und Mobilität. Byzanz und der weitere Mittelmeerraum, 700-900

Die Forschungsgruppe soll zum ersten Mal ausführlich die Wege untersuchen, auf welchen religiöser Konflikt am Ende der christlichen Antike mit der Bewegung von Menschen und Ideen im weiteren Mittelmeerraum, einschließlich des Nahen Ostens und Osteuropas, verbunden war. Religiöser Konflikt wird hier als durchdringendes und diverses Phänomen auf unterschiedlichen und miteinander verflochtenen Ebenen aufgefasst, die vom Zentrum der Untersuchung, dem "orthodoxen" Christentum unter dem Patriarchat von Konstantinopel, ausgehen: inter- und intrakonfessioneller Streit mit den anderen Patriarchaten, insbesondere Rom und den "Melkiten"; Mission; interreligiöser Kampf zwischen Christentum, Judentum und Islam. Religiöser Konflikt setzte im 8. und 9. Jahrhundert in der Regel eine Reihe von "Mobilitätsereignissen" in Gang oder beschleunigte diese: politische und kirchliche Gesandtschaften innerhalb und außerhalb des „orthodoxen“ Christentums; Produktion, Kopie, Übersetzung und Verbreitung von Texten; freiwillige oder erzwungene Migration von Einzelnen und Gruppen; Intensivierung der Missionstätigkeit und der Ausgrenzung von Heterodoxen und Juden; interne christliche Reflexion und Austausch mit dem Kalifat. All diese "Mobilitätsereignisse" sollten überraschend positive kulturgeschichtlichen Folgen von globaler Bedeutung nach sich ziehen und insbesondere zur Kohäsion mediterraner Gesellschaften am Ende der Antike beitragen.

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GK 1662: Religiöses Wissen im vormodernen Europa (800–1800)

Förderung bis 2020

Transfers und Transformationen – Wege zur Wissensgesellschaft der Moderne

Für das Graduiertenkolleg ist der Begriff ‚Religiöses Wissen‘ als interdisziplinäres Forschungskonzept leitend. Es beschreibt mit seiner Hilfe in neuer Weise, wie sich in Europa die sogenannte westliche Wissensgesellschaft mit ihren Selbstzuschreibungen der Toleranz, Säkularität, Rationalität und Ausdifferenzierung von Wissenschaft und Bildung, Recht und Politik, Religion, Kunst und Literatur entwickeln konnte.

I. Begriffe

Der Terminus religiöses Wissen benennt ein komplexes sozial- und kulturhistorisches Phänomen, das die Geschichte Europas vor allem im Christentum, aber auch in den beiden anderen monotheistischen Religionen seit dem Mittelalter prägte. Das Christentum versteht sich wie Judentum und Islam als eine offenbarungsgegründete Religion. Offenbarungswissen wurde, meist vermittelt durch kanonisierte Texte, als intangibel vorausgesetzt. Handlungsleitend konnte es jedoch nur werden, indem es in sich wandelnden Lebenswelten – je neu medial transferiert und transformiert – eine sinnvolle Kommunikation und Praxis begründete. Diese zeit- und kulturspezifischen Adaptationen bezeichnet das Kolleg als ,religiöses Wissen’.

Hieraus resultiert ein Forschungsinteresse, das sich vornehmlich auf die sich in Interdependenz mit dem Offenbarungswissen vollziehenden dynamischen Prozesse und strittigen Verhandlungsfelder der Generierung des religiösen Wissens bezieht.

II. Untersuchungsfelder

Nachdem das Kolleg zunächst in großer Breite Institutionen und soziale Gruppen, Verfahren sowie Wechselwirkungen und Grenzverschiebungen im Zusammenhang des religiösen Wissens untersucht hat, konzentriert es sich nun auf die Verfahren, mit denen Offenbarungswissen in Lebenswelten integriert, aber auch religiöse Wissensbestände in andere mediale Vermittlungsformen überführt und über Zeiten, Räume und soziale Grenzen hinweg weitergegeben wurden. So sollen die synchronen und diachronen Transfer- und Transformationsprozesse, aus denen religiöses Wissen immer neu hervorging, und ihre unterschiedlichen Existenzformen verstärkt in den Blick kommen.

Dabei liegt die Annahme zugrunde, dass über die einzelnen Verfahrensweisen des Transfers und der Transformation religiösen Wissens, insbesondere rituelle, kommentierende, ästhetische und empirische Verfahren, durch komplexe Aushandlungen eben jene Denkfiguren, Differenzierungen und Argumentationsstrukturen eingeübt wurden, die kategorial den Weg zur modernen Wissensgesellschaft mit anbahnten. Wechselwirkungen und Grenzverschiebungen zwischen religiösem und anderem Wissen, ausgetragen über die Verfahren der Adaptation, veränderten schließlich auch die Leitfunktion des Offenbarungswissens selbst.

© by GrK 1662/1

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