Uni-Tübingen

Teilprojekt A02: Vom Fest zum Aufruhr. Fastnacht als Bedrohung städtischer Ordnung in Spätmittelalter und Reformation

Abstract

Das Teilprojekt befasst sich mit dem Verhältnis von städtischem Fastnachtstheater (d.h. allen öffentlichen Fastnachtsaktivitäten) und städtischem Ordnungsdiskurs in Spätmittelalter und Reformation (1450–1550). Es soll Situationen und Formen der Bedrohung städtischer Ordnung durch fastnächtlichen Aufruhr identifizieren und Kriterien für das Umschlagen von inszenierter zu realer Ordnungsverletzung erarbeiten. Dazu werden Fastnachtspieltexte, Ordnungssatzungen und weitere einschlägige Quellen (Ratsprotokolle u.a.) in den Städten Nürnberg, Ulm, Regensburg und Straßburg ausgewertet.

Projektteam

Projektleitung:
Prof. Dr. Klaus Ridder

Mitarbeiterinnen:

Beatrice von Lüpke, M. A.: (Arbeitsfeld 1)
Dr. Rebekka Nöcker (Arbeitsfeld 2 und 3)

Fachgebiete und Arbeitsrichtung

Germanistik, Mediävistik

Projektbeschreibung

SFB-Teilprojekt A02

Das im Tübinger SFB 923 ‚Bedrohte Ordnungen‘ angesiedelte Teilprojekt der germanistischen Mediävistik untersucht das städtische Fastnachtstheater als ein Kippphänomen zwischen spielerisch-inszenatorischer Bedrohung städtischer Ordnung und gewaltbestimmter, realer Bedrohung von Ordnung durch Aufruhr. Für das SFB-Gesamtvorhaben ist das Teilprojekt einschlägig, weil es – gemäß der methodischen Leitlinie des SFB, im (kurzfristigen) Moment der Bedrohung Grundmuster sozialer Ordnung aufzusuchen – Formen der öffentlichen Kommunikation und der theatralen Reflexion über Ordnung und Bedrohung sowie Umschlagspunkte von gespielten zu realen Bedrohungen im sozialen Spannungsfeld ‚Stadt‘ analysiert.

Fragestellung und Zielsetzung

Feste und Feiern bringen in spätmittelalterlichen Städten auf der einen Seite einen wesentlichen Teil der sozialen Ordnung hervor, auf der anderen Seite stellen sie aus der Sicht der politischen Führungsschicht eine Bedrohung dar, der man durch eine Ordnungsgesetzgebung (z.B. Tauf-, Begräbnis-, Hochzeitsordnungen) zu begegnen versucht. Fastnacht ist die große kommunale Festzeit des Jahres, die Spieler und Zuschauer verschiedener Schichten, Professionen und Regionen zusammenbringt. In den Augen der städtischen Führungsschicht ist Fastnacht immer auch eine Quelle von Bedrohung, da die Grenze zu realen Ordnungsverletzungen nicht selten überschritten wird. Fastnächtliche Aktivitäten sind häufig ein auslösendes Moment für Ausschreitungen und Unruhen. In der Reformation werden theatrale Ausdrucksweisen der Fastnacht in der konfessionellen Auseinandersetzung dazu genutzt, um den Gegner zu verunglimpfen und die neuen religiösen Auffassungen zu verbreiten. Wechselwirkungen zwischen fastnächtlichen Aktivitäten und obrigkeitlichen Reaktionen, die auf eine vom Fastnachtstheater ausgehende Bedrohung der städtischen Ordnung schließen lassen, sind darüber hinaus ein Phänomen der Stadt- und Festkultur in Europa. Ziel des Projekts ist es, in den Schnittpunkten zwischen Ausdrucksformen des Fastnachtstheaters und des städtischen Ordnungsdiskurses Situationen bedrohter Ordnung zu identifizieren und Kriterien für das Umschlagen von inszenierter zu realer Ordnungsverletzung zu erarbeiten. Dazu sollen für den Zeitraum von 1450 bis 1550 in den Städten Nürnberg, Ulm, Regensburg und Straßburg insbesondere Fastnachtspiele, Ordnungssatzungen sowie Erlasse und Verbote des Stadtregiments ausgewertet werden.

Arbeitsfelder

  1. Nürnberger Fastnachtspiele und städtischer Ordnungsdiskurs: Die erhaltenen Fastnachtspieltexte spielen auf die städtische Ordnungspolitik Nürnbergs mit ihrem strengen Reglement und zahlreichen Verboten an und zeigen Bezüge etwa zum zeitgenössischen Rechtswesen. Das Projekt zieht aus dem ordnungspolitischen Schrifttum der Reichsstadt Nürnberg vorwiegend die Amts- und Standbücher sowie die jährlichen Ratsverlässe heran, um sie mit den Spieltexten zu konfrontieren.
  2. Fastnachtstheater und Ordnungsdiskurs in süddeutschen Reichsstädten: Wo keine Schauspieltexte überliefert sind, lassen sich den Ratsprotokollen des Stadtregiments Hinweise auf das städtische Ordnungsdenken sowie auf akute Konflikt- und Bedrohungssituationen entnehmen. Daher werden die erhaltenen Archivalien in Ulm, Regensburg und Straßburg einbezogen.
  3. Fastnacht als Medium der Reformation: Auf Grundlage der städtischen Archivalien soll die Entwicklung der Fastnacht als Ambivalenz- und Kipp-Phänomen in der Reformation analysiert werden (Fastnacht als Medium der Herrschaftskritik u.a.).

Projektbezogene Vorträge und Publikationen

Ridder, Klaus / Nöcker, Rebekka / von Lüpke, Beatrice:

von Lüpke, Beatrice

Nöcker, Rebekka

Ridder, Klaus

Tagungen, Workshops und Konferenzen

Projektrelevante Lehrveranstaltungen

von Lüpke, Beatrice

Nöcker, Rebekka