Untersuchung auf Dioxin-ähnliche Wirksamkeit
Dioxine sind organische chlorierte Verbindungen, die zu den gefährlichsten bekannten Umweltschadstoffen zählen. Heutzutage sind 210 PCDD-Isomere mit extremen Gefährlichkeitsgrad bekannt. Sie entstehen bei allen Verbrennungsprozessen in Anwesenheit von Chlor und organischen Kohlenstoffen (Ab einer Verbrennungstemperatur von 300-900°C). Dioxine haben in der Vergangenheit durch den Chemieunfall in Seveso (1976), bei welchem das toxischste Dioxin 2,3,7,8 Tetrachlor-Dibenzo-p-Dioxin (TCDD) in die Umwelt freigesetzt wurde und durch den Einsatz von Dioxin-verseuchten Herbiziden (Agent Orange) im Vietnamkrieg (1961-1971) besonders an Bedeutung gewonnen. Heutzutage sind diese Stoffe mittlerweile durch Verbotsverordnungen reglementiert. Jedoch durch die erhöhte Freisetzung in der Vergangenheit und die sehr lange Halbwertszeit von Dioxinen liegen sie heute als Altlast weiterhin in unseren Ökosystemen vor. Durch Hochwasserkatastrophen und Starkregen-Events können diese wieder remobilisiert und erneut in unsere Umwelt eingetragen und/oder durch Organismen aufgenommen werden.
Innerhalb des Bad Waldsee-Projekts soll die dioxin-ähnliche Wirksamkeit in unterschiedlichen Sediment-Schichten des Stadtsees mittels eines Bioassay für unterschiedliche Jahresabschnitte untersucht werden. Um die Dioxinbelastung einer Umweltprobe zu messen, wird in der Regel der Biomarker „EROD“ (Ethoxyresorufin-O-Deethylase) verwendet. EROD ist ein Leberenzym, welches von Organismen als direkte Antwort auf den Kontakt mit dioxin-ähnlichen Stoffen gebildet wird, um diese wieder aus den Körper auszuscheiden. Das Enzym, welches zur CYP1A Enzymfamilie gehört, kann die Substanz Ethoxy-Resorufin zum Fluoreszenzfarbstoff Resorufin umsetzen. Somit kann in biologischen Testsystemen wie z.B. dem micro-EROD Assay nach Belastung einer Zellkultur mit der Umweltprobe die Fluoreszenzintensität direkt mit der dioxinähnlichen Belastung der getesteten Probe in Beziehung gesetzt werden. Somit kann zusammenfassend die dioxin-ähnliche Wirksamkeit innerhalb der Sedimente gemessen werden. In einer Proof-of-Concept-Studie aus dem Jahr 2018 von Hollert et al. konnten bereits erste Erkenntnisse aus den Seesedimenten des Stadtsees gezogen werden (Abb.2). Dabei wurde die Dioxin-ähnliche Wirksamkeit innerhalb der Sedimente für die Neuzeit (wahrscheinlich älter als das 18. Jahrhundert n. Chr.), das Hochmittelalter (10. Bis 12. Jahrhundert n. Chr.) und die Eisenzeit (ca. 1050 v. Chr. bis 1 v. Chr.) untersucht. Die Ergebnisse zeigen dabei die Bioanalytische Äquivalente (BEQ) bezogen auf die jeweilige Sedimenttiefe. Bioanalytische Äquivalente (BEQs) von Gemischen und Umweltproben werden häufig verwendet, um die potenzielle Bedrohung durch Schadstoffe in der Umwelt widerzuspiegeln, und können durch Bioassays oder durch chemische Analysen in Verbindung mit relativen Potenzen (REPs) ermittelt werden.