Uni-Tübingen

B 01

Variabilität der Ressourcennutzung. Raumerschließung durch späte Neandertaler und frühe anatomisch moderne Menschen in Europa

Fachklassifizierung

Ur- und Frühgeschichte

Ältere Urgeschichte und Quartärökologie

Projektleitung

Floss, Harald, Prof. Dr.

Eberhard Karls Universität Tübingen

Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters

Abteilung Ältere Urgeschichte und Quartärökologie

Schloss Hohentübingen

Burgsteige 11

72070 Tübingen

Telefonnummer: 07071 29 78916

E-Mail-Adresse: harald.floss@uni-tuebingen.de

 

Conard, Nicholas John, Prof. Ph.D.

Eberhard Karls Universität Tübingen

Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters

Abteilung Ältere Urgeschichte und Quartärökologie

Schloss Hohentübingen

Burgsteige 11

72070 Tübingen

Telefonnummer: 07071 29 72416

E-Mail-Adresse: nicholas.conardspam prevention@uni-tuebingen.de

DoktorandInnen

und Postdocs

Kitagawa, Keiko, Dr.

Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters

Schloss Hohentübingen

Burgsteige 11

72070 Tübingen

Telefonnummer: 07071-29-72417

E-Mail-Adresse: keiko.kitagawaspam prevention@uni-tuebingen.de

 

Seitz, Recha, M.A.

SFB 1070 RessourcenKulturen

Raum 315

Gartenstr. 29

72074 Tübingen

Telefonnummer: 07071 29 73595

E-Mail-Adresse: recha.seitzspam prevention@uni-tuebingen.de

Im Mittelpunkt des Teilprojektes B 01 stehen Ressourcennutzungs- und Raumerschließungsstrategien später Neandertaler und früher anatomisch moderner Menschen in Europa. Das Projekt untersucht an dieser menschheitsgeschichtlich entscheidenden Scharnierstelle am Beispiel der Ressourcennutzung vertikal Kontinuitäten und Brüche menschlichen Verhaltens und horizontal damit verbundene Strategien der Raumerschließung vor dem Hintergrund des Szenarios des nach Europa einwandernden und auf indigene Neandertaler treffenden Homo sapiens. Die Untersuchung enthält zwei Fallbeispiele: die südliche Bourgogne und die Schwäbische Alb. Beide Teilregionen sind durch Ströme, wie Donau, Rhein und Rhône auf natürliche Weise miteinander verbunden. Während sich die erste Antragsphase mit der Nutzung lithischer Rohstoffe zur Herstellung von Steinartefakten beschäftigt hat, soll die zweite Antragsphase die Ressource ‚Tier‘ behandeln. Bei identischen geographischen und chronologischen Prämissen der Untersuchungsgebiete wird es dadurch möglich, die in der ersten Antragsphase im Hinblick auf Bewegungen und Entwicklungen erzielten Ergebnisse zu testen und zu überprüfen, inwieweit sich bei der Untersuchung der Ressource ‚Tier‘ möglicherweise andere Dynamiken entwickeln. Die pleistozäne Tierwelt stellt für den Menschen des Eiszeitalters einen RessourcenKomplex dar. Neben der vordergründigen Frage von Jagd und Ernährung und der damit verbundenen Nutzung sowie Zubereitung von Fleisch, Blut, Innereien, Knochenmark und Fett dienten Knochen, Geweih, Elfenbein und Horn, Fell, Gedärme und Sehnen von Tieren zu vielfältigen Zwecken der Werkzeugherstellung, der Fertigung von Kleidung und dem Behausungsbau. Schließlich dienten tierische Rohstoffe, wie Geweih oder Elfenbein, auch der Herstellung skulptierter oder gravierter Artefakte, die in die Bereiche von Kunst und Symbolik fallen (siehe z. B. die Elfenbeinfiguren der Schwäbischen Alb). Ausgehend von der materiellen Ressource ‚Tier‘ können sich durch die symbolische Überhöhung von Objekten aus tierischen Rohmaterialien immaterielle Werte ergeben. Ausgehend von der Hypothese vornehmlich animistisch geprägter Sammler/Jäger-Gesellschaften und der damit verbundenen holistischen Weltsicht, in der unsere heutige Gegenüberstellung von Natur und Kultur nicht greift, möchten wir in einem fortgeschrittenen Stadium der Projektgestaltung der Frage nachgehen, wie das Verhältnis von Mensch zu Tier zu Zeiten unserer weit zurückliegenden altsteinzeitlichen Vorfahren zu begreifen ist und inwieweit abseits der alltäglichen Nutzung des Tiers durch den Menschen beide Gruppierungen bereits in den Steppen des Eiszeitalters im spirituellen Sinne als kongeniale Partner fungiert haben können (Hussain/Floss 2015 b; c). Zu diesem Zwecke ist es in dem beantragten Projekt auch vorgesehen, sich stärker als bislang mit Sammler/Jäger-Theorien und grundsätzlichen Erörterungen zum Mensch-Tier-Verhältnis als einem Ressourcengefüge auseinanderzusetzen. Die im Teilprojekt B 01 verfolgte Methodik verbindet in der Basisarbeit am Beispiel spätmittel- und frühjungpaläolithischer Stationen der beiden Arbeitsgebiete einen archäozoologischen Ansatz mit technologischen und formenkundlichen Beobachtungen der aus tierischen Rohmaterialien gewonnenen Gerätschaften. Durch vergleichende Artefaktstudien, radiometrische Datierungen sowie Pilotstudien zur chemischen Zusammensetzung der Rohstoffe können sowohl Kontinuitäten wie Brüche der Verhaltensweisen, als auch Diffusionsprozesse im Sinne von Bewegungen und Migrationen rekonstruiert werden. Ein Fokus wird dabei auf der Frage liegen, ob es am Übergang von Neandertalern zum Homo sapiens möglicherweise zu einer Umbewertung der Ressource ‚Tier‘ gekommen sein könnte. Die seit dem Aurignacien existierenden, zu Zeiten der Neandertaler aber unbekannten Figuren von Menschen, Tieren und Mischwesen aus Mammutelfenbein scheinen in diese Richtung zu weisen. Ein weiterer Aspekt wird in der Frage liegen, inwieweit der RessourcenKomplex der Tierwelt durch klimatische Veränderungen, aber vor allem auch durch menschliche Aktivitäten (Jagd) einem Wandel unterzogen gewesen sein könnte. Es geht mit anderen Worten um die Frage, inwieweit die Nutzung der Ressource ‚Tier‘ zu einer Veränderung der Ressource selbst und zu einer Veränderung der urgeschichtlichen Gesellschaft hat führen können. Das Teilprojekt fügt sich perfekt in die für die zweite Antragsphase definierten Querschnittsbereiche und bietet Raum für zahlreiche Vernetzungen mit anderen Teilprojekten (s. Bericht und Planung).