Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 1/2022: Leute

Bedeutender Bienenforscher, Kenner des Araukarienwalds und Gründungsdirektor des Brasilien-Zentrums

Zum Tode von Professor Dr. Wolf Engels ein Nachruf von Stefan Laufer

Am 18. Dezember 2021 verstarb Professor Dr. Wolf Engels im Alter von 86 in Jahren in Tübingen. Engels wurde 1935 in Halle/Saale geboren. Die ersten portugiesischen Wörter lernte er bereits als Kind von seiner Mutter, die als Tochter eines evangelischen Pastors in Rio Pardinho, einem kleinen von deutschen Auswanderern gegründeten Dorf in Südbrasilien, zur Welt gekommen war. Damit war bereits früh der Grundstein für seine Liebe zu Brasilien gelegt, die ihn bis zuletzt begleitete. 

Nach dem Studium der Biologie in Göttingen, Tübingen und Münster (1955-1962) wurde er 1963 bei dem bedeutenden Evolutionsbiologen Professor Dr. Bernhard Rensch in Münster promoviert. 1971 folgte die Habilitation über die Reproduktionsbiologie der Honigbiene Apis mellifera. In Münster lernte er seine spätere Frau Elisabeth kennen, damals ebenfalls Doktorandin von Rensch. Im Laufe der Jahre entstanden zahlreiche gemeinsame wissenschaftliche Veröffentlichungen zur Biologie der Bienen. 

Von 1972 bis 1974 nahm Engels eine Gastprofessur an der Universität São Paulo (USP), Brasilien, an. Seine Familie begleitete ihn, das jüngste der vier Kinder kam hier zur Welt. In der Arbeitsgruppe um Professor Warwick Kerr forschte das Ehepaar am Campus in Ribeirão Preto über die Fortpflanzungsbiologie der stachellosen Bienen. Ihr Wirken lebt in vielen deutsch-brasilianischen Publikationen, Kooperationen und im bis heute dort bestehenden Versuchsbienenstock„-wald“ fort.

1975 folgte Engels dem Ruf der Eberhard Karls Universität Tübingen auf den Lehrstuhl Entwicklungsphysiologie, den er bis zu seiner Emeritierung 2003 innehatte. Hier setzte er seine Forschungen über die Reproduktionsbiologie der Bienen fort. Aber nie ließ ihn die Liebe zu seiner „zweiten Heimat Brasilien“ los. Der brasilianische Pass, den er aufgrund seiner mütterlichen Abstammung besaß, bedeutete ihm sehr viel. Immer wieder regte er deutsch-brasilianische Forschungsprojekte an, unterstützte den Austausch von Studierenden und Doktoranden und reiste natürlich wiederholt selbst nach Brasilien. Zuletzt nahm er 2017 am 8. Deutsch-Brasilianischen Symposium an der Tübinger Partneruniversität PUCRS (Pontifícia Universidade Católica do Rio Grande do Sul) in Porto Alegre teil.

Seit den 1980er-Jahren galt Engels wissenschaftliches Interesse besonders dem gefährdeten Ökosystem Araukarienwald, einem Teil des sich über 4.000 km erstreckenden brasilianischen Küstenregenwaldes. Im Süden Brasiliens, wo sein Großvater zehn Jahre als Pastor gewirkt hatte, entstand auf seine Initiative hin das Araukarienschutzgebiet „Pró-Mata“. An der 1996 eingeweihten Forschungsstation entstanden über 100 interdisziplinäre deutsch-brasilianische Projekte. Die Station wird bis heute von Tübinger Seite im Rahmen von Studienexkursionen genutzt.

1997 wurde Engels die Ehrenprofessorenwürde der PUCRS verliehen. Schon 1987 war er als einer der ersten deutschen Wissenschaftler in die brasilianische Akademie der Wissenschaften aufgenommen worden. Anlässlich seines 80. Geburtstags wurde Engels außerdem mit der Ehrenmedaille der Universität Tübingen ausgezeichnet. 

Unter Beteiligung von Engels wurde 2000 das Länderabkommen zwischen Baden-Württemberg und Rio Grande do Sul über die „Zusammenarbeit im Bereich von Wissenschaft und Technologie“ unterzeichnet. Basierend auf dem Länderabkommen wurde im gleichen Jahr das Baden-Württembergischen Brasilien-Zentrum der Universität Tübingen ins Leben gerufen, dessen Gründungsdirektor Engels war. Unter seiner Leitung wurde es zum Mittelpunkt der wissenschaftlichen Kooperationen zwischen baden-württembergischen und brasilianischen Hochschulen.

Zu den Aufgaben des Zentrums gehören neben der Beratung und Anbahnung von Forschungsprojekten auch die Förderung und Betreuung des wissenschaftlichen und studentischen Austausches zwischen beiden Ländern. Hierfür engagierte sich Engels unermüdlich über viele Jahre hinweg. Eine eindrucksvolle Zahl seiner akademischen Schülerinnen und Schüler besetzt heute namhafte Lehrstühle an deutschen und brasilianischen Hochschulen. Als Erinnerung daran existiert das berühmte „Engels’sche Ei“ mit den Unterschriften all seiner Doktorandinnen und Doktoranden sowie aller Habilitandinnen und Habilitanden.

Das Baden-Württembergische Brasilien-Zentrum der Universität Tübingen wird das Andenken an seinen Gründer und großen Brasilienfreund, Wolf Engels, stets in Ehre bewahren.