Geschichtliche Landeskunde und Historische Hilfswissenschaften

Dr. Kim Krahn (TU Braunschweig)

Forschungsbereich Bioindikation

Umweltrekonstruktion mittels Bioindikatoren und stabilen Isotopen

Im Rahmen des "Bad Waldsee"-Forschungsprojekts konzentrieren sich die Forschenden der Technischen Universität Braunschweig auf die Analyse der Überreste aquatischer Organismen und der stabilen Isotope.

Klimatische Schwankungen und menschliche Einflüsse können große Auswirkungen auf das System See, die darin ablaufenden chemisch-physikalischen Prozesse und somit seine Lebewesen haben. So können zum Beispiel Temperaturänderungen das Mischungsverhalten des Wasserkörpers beeinflussen und das Einleiten von Abwässern aus menschlichen Siedlungen das Nährstoffangebot steigern. Diese Signale lagern sich mit der Zeit am Grund des Sees in Form einzelner, übereinander geschichteter Sedimentlagen ab und ermöglichen so eine hochaufgelöste Rekonstruktion vergangener Umweltentwicklungen.

In den Sedimenten des Stadt- und Schlosssees von Bad Waldsee sind insbesondere die Silikatschalen der Diatomeen (Kieselalgen) (Abbildung 1) hervorragend erhalten und stehen im Fokus der Forschungsarbeiten. Diese mikroskopisch kleinen Algen kommen in nahezu allen aquatischen Systemen vor, bilden die Grundlage der Nahrungskette und regieren sensibel auf Änderungen in chemischen Gewässer-Parametern wie Salinität, pH und Nährstoffe. Gleichzeitig haben auch physikalische Variablen wie Tiefe des Sees, Länge der Eisbedeckung und Schichtung bzw. Durchmischung der Wassersäule einen großen Einfluss auf das Vorkommen und die Häufigkeiten der verschiedenen Diatomeen-Arten. Entsprechend sind diese Organismen bereits etablierte Indikatoren um sowohl qualitativ als auch quantitativ Eutrophierung und Versauerung von Gewässern sowie Klimaänderungen zu ermitteln. Weitere Organismengruppen (z.B. Muschelkrebse und Wasserflöhe) sollen ebenfalls im Rahmen des Projekts untersucht bzw. deren Potenzial bestimmt werden.

Darüber hinaus werden stratigraphische Variationen in der stabilen Isotopenzusammensetzungen (δ18Ocarb, δ13Ccarb, δ15Norg, δ13Corg) von Karbonaten und Organik in den Sedimenten genutzt, um zeitliche Änderungen in der Produktivität, der Hydrologie und den Oberflächenwassertemperaturen des Gewässers zu rekonstruieren. Die Analyse der stabilen Isotope erfolgt in Kooperation mit Dr. Birgit Plessen vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam.

Ziel dieses Projektteils ist es, die Umweltentwicklung im Einzugsgebiet der Stadt Bad Waldsee und einhergehende Veränderungen in den beiden Seen sowie den menschlichen Einfluss auf das aquatische Ökosystem vom Mittelalter bis in die Frühe Neuzeit hochaufgelöst nachzuzeichnen. Wir erwarten detaillierte Informationen über die Reaktion von Oberflächengewässern auf sich ändernde städtische Emissionen und die Resilienz (Widerstandsfähigkeit) aquatischer Ökosysteme. Dabei sind klimatische Phasen wie die „Kleine Eiszeit“ (ca. 1550 bis 1850) und historische Entwicklungen wie Siedlungsintensifikation, Pestwellen und der Dreißigjährige Krieg von besonderem Interesse.