Auch wenn er nicht das Glück hatte, ihn selbst kennenzulernen, „so war es mir, als hätte ich auch persönlich einen Mentor verloren“, sagte der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, in seiner Rede zur akademischen Gedenkfeier für Walter Jens, der am 9. Juni 2013 im Alter von 90 Jahren verstorben war. Die Veranstaltung fand am 24. Januar statt und gab vielen Vertretern aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft noch einmal die Gelegenheit, auch akademisch von dem Intellektuellen Abschied zu nehmen. „Walter Jens war Leitfigur einer ganzen Generation politisch Interessierter“, führte Kretschmann aus. „Er war Protestant, nicht nur im religiösen Sinne, und wandte sich gegen das „Gleichgewicht des Schreckens“. Rektor Professor Dr. Dr. h. c. Bernd Engler hob besonders die Bedeutung von Walter Jens für die Universität Tübingen heraus: „Er hat die Rhetorik als Disziplin begründet, die nationale und internationale Maßstäbe setzte.“ Gemeinsam mit Hans Küng gründete Walter Jens das Studium Generale, „viele verdankten ihm einen weiten Bildungshorizont“, sagte Engler.
Oberbürgermeister Boris Palmer brachte Walter Jens Buch „Tübingen – Die kleine große Stadt“ mit: „Eine Liebeserklärung, die nicht viele Städte ihr eigen nennen können“, sagte Palmer. Er erinnerte daran, dass Jens sich auch aktiv in das Tübinger Stadtleben einmischte, er nannte den Begriff „Concordia discors“ – der Einigkeit, sich nicht einig zu sein, die Jens auf Tübingen bezog. Walter Jens sei ein „gelehrter Schriftsteller, ein schreibender Gelehrter“ gewesen, sagte Professor Dr. Dr. h. c. Heinrich Detering, Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, deren Mitglied Walter Jens war. „Er wird von seinem lesenden und lauschenden Publikum vermisst“, sagte Detering. „Ein Mann wie Walter Jens täte uns gut.“
Für den erkrankten Schriftsteller und Ehrensenator der Universität Tübingen Peter Härtling verlas der Radiosprecher und Moderator Rudolf Guckelsberger dessen Nachruf auf Walter Jens. Der Verstorbene sei schon als junger Professor zur Legende, dann zur Institution geworden. Als strengen Literaturkritiker habe Härtling ihn in der Gruppe 47 kennen gelernt, später auch in der Jury des Klagenfurter Literaturpreises: „Er konnte scharf und heftig werden, doch nie beleidigend, nie schlug er zu.“ Härtling erinnerte an das Engagement von Walter Jens in der Friedensbewegung und sein Wirken als Präsident der Berliner Akademie der Künste: „Die Wende, der Fall der Mauer sorgten dafür, dass die Akademien, West und Ost, zu vereinen waren.“
Simona Steeger