Von einer Professur für Pharmazeutische Biologie an der Universität Düsseldorf folgte Heike Brötz-Oesterhelt im vergangenen Juli dem Ruf an die Universität Tübingen, wo sie den Lehrstuhl für Mikrobielle Wirkstoffe am Interfakultären Institut für Mikrobiologie und Infektionsmedizin übernahm. Die 46-Jährige ist mit ihrem Mann und ihren acht und zehn Jahre alten Kindern nach Tübingen gekommen. Sie erforscht die molekularen Wirkungsmechanismen von Antibiotika, sucht nach neuen antibakteriellen Leitstrukturen sowie neuen Targets für die Therapie bakterieller Infektionen und untersucht Antibiotikaresistenzen. Das Thema Antibiotika bildet den roten Faden ihrer wissenschaftlichen und beruflichen Karriere: Es war Thema ihrer Doktorarbeit, die sie wie auch ihr Biologiestudium an der Universität Bonn absolviert hat, und begleitete sie über etliche Jahre in der Industrieforschung als Labor- und Projektleiterin bei der Bayer HealthCare AG.
Als Bayer 2005 die Antibiotikaforschung einstellte, übernahm sie zusammen mit 20 Kollegen die bakteriologische und virologische Forschungspipeline in eine Spin-off-Gründung, die AiCuris GmbH & Co KG in Wuppertal. Inzwischen hat dieses Unternehmen etwa 60 Mitarbeiter. Doch Heike Brötz-Oesterhelt, die Leiterin der Bakteriologie war, verfolgte parallel auch ihre akademische Karriere weiter und habilitierte sich. „In der Industrieforschung geht man der Frage nach, wie man aus einem Wirkstoff ein marktfähiges Medikament machen kann“, erklärt die Wissenschaftlerin, „diese Entwicklungsarbeit nahm mir irgendwann zu viel Raum ein.“ So wurde sie 2010 Professorin an der Universität Düsseldorf. „Mir ist es wichtig, dass ich meinen Forschungsgedanken frei nachgehen kann, daher passt das Umfeld Universität besser zu mir.“
Gegen viele Antibiotika sind krankheitserregende Bakterien bereits unempfindlich geworden, sodass die vorhandenen Medikamente nicht mehr voll einsetzbar sind. „Wir suchen die Achillesfersen der Bakterien, die noch übrig bleiben“, beschreibt Heike Brötz-Oesterhelt die Situation. „Wir brauchen ein Bewusstsein dafür, dass wir mit den Antibiotika etwas Wertvolles haben, mit dem man sorgsam umgehen muss.“ Zwar wenden die Forscher Tricks aller Art an, um die Entstehung von Resistenzen zu vermeiden. Zum Beispiel setzen sie auf Stoffe, die über zwei verschiedene Mechanismen die Bakterien an Wachstum und Vermehrung hindern. „Man kann Resistenzen aber nie ganz verhindern, nur ihre Entwicklung verzögern.“
Aktuell forscht Heike Brötz-Oesterhelt an einer Substanz, die anders als die meisten bisherigen Antibiotika nicht den Aufbau oder die Struktur der Bakterien hemmt, sondern ein Protein abbauendes Enzym in der Bakterienzelle fehlsteuert. Statt kontrolliert nur bestimmte Proteine zu zerschneiden, zerstückelt dieses Enzym nun auch solche Zellkomponenten, die für die Bakterien lebenswichtig sind. Das Antibiotikum treibt die Bakterien sozusagen in den Selbstmord. „Diese Substanz war von der Industrie schon aufgegeben worden“, berichtet sie. Aber sie hat nicht lockergelassen. Seit die Forscherin den Wirkungsmechanismus aufgeklärt hat, gibt es auch Interesse bei internationalen Forschungsgruppen, die versuchen, die Substanz voranzutreiben.
Janna Eberhardt