Teilprojekt C03: Multiple Bedrohungen in amerikanischen Rassenbeziehungen nach 1945
Abstract
Das Teilprojekt C03 blickt auf die USA in der Zeit nach 1945. Gefragt wird danach, inwiefern sich rassistische Handlungen weißer Amerikaner als Reaktionen auf die Bedrohung der etablierten Machtordnung durch das Erstarken der Gruppe der Afro-Amerikaner interpretieren lassen, in welcher Weise dabei Bedrohungsszenarien zur Verteidigung der eigenen Machtposition eingesetzt werden und wie die dominierte Gruppe ihrerseits mit der Konstruktion dieser Bedrohungsszenarien umgegangen ist.
Projektteam
Projektleitung:
Prof. Dr. Astrid Franke
Mitarbeiterinnen:
Dr. Christine Knauer
Dr. Nicole Hirschfelder (assoz. Mitglied)
Fachgebiete und Arbeitsrichtung
Amerikanistik
Projektbeschreibung
Bedroht ist die Machtordnung zwischen weißen und schwarzen Amerikanern. Die Bedrohung besteht im verstärkten Bestreben der Afro-Amerikaner nach demokratischer Partizipation und sozialer Gerechtigkeit. Dies als Bedrohung zu diffamieren wird immer schwieriger und hat oft unintendierte Folgen: Traditionelle Bedrohungsszenarien als Rechtfertigung, insbesondere von physischer Gewalt seitens der weißen Amerikaner, verlieren zunehmend an Akzeptanz und die Kommunikation über die Bedrohung nimmt daher eine neue Wendung. Dies geschieht zum einen durch den Kalten Krieg und zum anderen durch das Aufkommen kritischer sozialer Bewegungen, wie der Studentenbewegung und der Bürgerrechtsbewegung: Der Kalte Krieg erhöht die Sensibilität für Defizite der Demokratie, die zur Bedrohung werden, weil sie die USA im ideologischen Konkurrenzkampf verwundbar machen. Das Gefühl der Bedrohung durch innere und äußere Feinde während der McCarthy-Ära (ca. 1948 – 1956) führt auch zu einer Paranoia gegenüber Außenseitern oder Menschen, die man zu solchen machen kann: Homosexuelle, Juden, Afro-Amerikaner oder (ehemalige) Sympathisanten der Kommunisten. Diese Paranoia wiederum erleichtert es dem Establishment, Personen, die die Machtordnung in Frage stellen, als nationale Bedrohung zu stigmatisieren und zu isolieren – auch in den Reihen der Opposition selbst. Gleichzeitig jedoch bewirken die Gegenbewegungen einer sich als oppositionell verstehenden Kultur (counterculture) eine kritische Hinterfragung beider Bedrohungsszenarien, die gerade so an Sichtbarkeit gewinnen, aber eben auch als Scheingefechte durchschaut und bloßgestellt werden.
Ziel des Projektes ist eine differenzierte interdisziplinäre Untersuchung von verschiedenen Bedrohungen, ihrer Instrumentalisierung und ihren oft unbeabsichtigten bedrohlichen Nebeneffekten. Rassistische Handlungen sollen in ihrer Eigenlogik als Reaktion auf die bedrohte Machtordnung bzw. den drohenden Machtverlust erklärt werden.
Dabei wird das komplexe Geflecht multipler Bedrohungen in zwei Studien untersucht: Die erste behandelt das Lynchen als drastischste Reaktion auf die Bedrohung der weißen Vorherrschaft. Die Legitimation des Lynchmords bestand darin, das Opfer als Bedrohung für die moralische Ordnung darzustellen. So erscheint der Lynchmord als Ordnung stiftender Akt. Diese Form der Bedrohungskommunikation verlor zunehmend an Glaubwürdigkeit und „funktionierte“ immer weniger – warum? Hier ist sozio-historisch zu analysieren, welche Hintergründe die Lynchmorde im gesellschaftlichen Klima nach dem Zweiten Weltkrieg haben und wie sie im nationalen, regionalen und ethnischen Kontext konstruiert, diskutiert und funktionalisiert wurden. Die Frage ist, welche Ordnungsvorstellungen und Bedrohungserfahrungen die Akteure kommunizieren und wie sich deren Rezeption verändert.
Die zweite Studie untersucht effektive Formen des Machterhalts und nimmt sich überlagernde Bedrohungen in den Blick, indem sie die subtilere Instrumentalisierung von Bedrohung seitens der Mächtigen, am Beispiel Bayard Rustins, dem Mentor Martin Luther Kings, untersucht. Gefragt wird nach der Art und Weise, wie dieser Mann als gebildeter Afro-Amerikaner und pazifistischer Quäker zu einer einflussreichen Persönlichkeit innerhalb der Bürgerrechtsbewegung werden konnte, als solcher aber wiederholt durch das weiße Establishment als Bedrohung stigmatisiert wurde, v.a. als Kommunist und als Homosexueller. Er bedrohte dann tatsächlich, auch aus Sicht der Afro-Amerikaner, die Integrität und das Prestige der Bürgerrechtsbewegung – wie dieser „Import“ einer Bedrohung von einer gesellschaftlichen Gruppe in eine andere funktioniert, ist noch zu beschreiben.
Zentral ist die Untersuchung der Rolle von Imagination und Fiktion für die Vorstellung und Inszenierung von Bedrohung. Dazu gehört die Konzeptualisierung von Bedrohungskommunikation als performativen, strategisch instrumentalisierten Akt, der in Hinblick auf seine faktischen Grundlagen zu überprüfen ist.
Projektbezogene Vorträge und Publikationen
Franke, Astrid
- Poetry and (In-)justice: Lynchpoems in American Culture. Publikationsorgan wird nachgetragen.
- Early African-American Poetry: Phillis Wheatley’s ‘On being brought from Africa to America’ and George Moses Horton’s ‘On Hearing of the Intention of a gentleman to purchase the Poet’s Freedom.’ In: A History of American Poetry: Contexts – Developments – Readings, hrsg. Oliver Scheiding, René Dietrich und Clemens Spahr. Publikationsorgan wird nachgetragen.
- (mit Nicole Hirschfelder) "Maycomb was itself again": Wandel und Resilienz einer ungerechten Ordnung, in: Aufruhr – Katastrophe – Konkurrenz – Zerfall. Bedrohte Ordnungen als Thema der Kulturwissenschaften, Bd.1 der SFB 923-Reihe ‚Bedrohte Ordnungen‘, hg. von Ewald Frie und Mischa Meier, Tübingen 2014, S. 197 - 228.
- 09.01.2013 - "Superman trifft den Ku Klux Klan: Rassismus und andere Bedrohungen in der Zeit des Kalten Krieges in den USA"; Vortrag im Rahmen des Studium Generale, Universität Tübingen.
- 23.11.2012 - "Sex, Race, and Rock 'n Roll, oder: Welche Ordnungen bedroht Elvis?" Vortrag im Kolloquium des SFB 923, Universität Tübingen.
- 31.03.2012 - "'The more things change the more they remain the same'. Stabilität und Wandel einer ungerechten Ordnung"; Vortrag auf der Konferenz "Bedrohte Ordnungen I", Universität Tübingen.
Hirschfelder, Nicole
- Oppression as Process: The Case of Bayard Rustin. Heidelberg: Winter, 2014.
- (mit Astrid Franke) "Maycomb was itself again": Wandel und Resilienz einer ungerechten Ordnung, in: Aufruhr – Katastrophe – Konkurrenz – Zerfall. Bedrohte Ordnungen als Thema der Kulturwissenschaften, Bd.1 der SFB 923-Reihe 'Bedrohte Ordnungen‘, hg. von Ewald Frie und Mischa Meier, Tübingen 2014, S. 197 - 228.
- Homophobie und Rassismus – eine figurationssoziologische Betrachtung des Falles von Bayard Rustin. In: Neue alte Rassimen? Differenz und Exklusion in Europa nach 1989, Drews-Sylla, Gesine, Makarska, Renata (Hrsg.), Bielefeld, transcript Verlag, 2015, pp. 1-14. (Artikel eingereicht, peer-reviewed und akzeptiert 2012. Veröffentlichung Januar 2015.)
- (mit Astrid Franke) "Maycomb was itself again": Wandel und Resilienz einer ungerechten Ordnung, in: Aufruhr – Katastrophe – Konkurrenz – Zerfall. Bedrohte Ordnungen als Thema der Kulturwissenschaften, Bd.1 der SFB 923-Reihe 'Bedrohte Ordnungen‘, hg. von Ewald Frie und Mischa Meier, Tübingen 2014, S. 197 - 228.
- A Study in Oppression: A Critical Perspective on 'Civilization' and 'Change.' In: Civilization and Change, pp. 1-11. (Artikel eingereicht, peer-reviewed und akzeptiert 2013.)
- 12.11.2014 – "How Good Were the "Good Sixties"? Pacifism and the Civil Rights Movement" im Rahmen der Vorlesungsreihe "Issues in American Literary and Cultural History IV: From the First World War to the Present", Universität Tübingen.
- 27.06.2014 – "Religion & Resistance: The Impact of Quakerism on Political Activism"; Vortrag im Rahmen des Workshops "Race, Rights, and Religion", Universität Tübingen.
- 08.07.2014 – Projektpräsentation im Cluster 7 USA im Rahmen des ’Interner Workshop Lauterbad IV’, Universität Tübingen.
- 08.11.2013 - "Oppression amongst the Oppressed: How Inequality Pervades Social Dynamic"; Vortrag auf dem Workshop "Ungerechte Ordnungen – The Structure and Dynamics of Inequality", Universität Tübingen.
- 08.02.3013 - (mit Christine Knauer) "Multiple Bedrohungen in amerikanischen Rassenbeziehungen nach 1945", Vortrag im Kolloquium des SFB 923, Tübingen.
- 08.11.2012 - "Why it Matters how we Remember: The Case of Bayard Rustin and the Issue of Fragmented Memory"; Vortrag auf der Konferenz 'What is LGTB(Q) History and where do we stand?', Queen Mary University, London.
- 03.11.2012 - "A Study in Oppression: A Critical Perspective on 'Civilization' and 'Change'"; Vortrag auf der Konferenz 'Civilization and Change' (International ISAR Symposium) in Istanbul.
Knauer, Christine
- Let Us Fight as Free Men: Black Soldiers and Civil Rights (Philadelphia: University of Pennsylvania Press, 2014).
- Rezension zu John Virtue, The Black Soldiers who Built the Alaska Highway: A History of Four Army Regiments in the North 1942-43 (Jefferson: McFarland & Company, 2013) in: H-War, Januar 2014.
- Rezension zu: Kruse, Kevin M.; Tuck, Stephen (Hrsg.): Fog of War. The Second World War and the Civil Rights Movement. Oxford 2012, in: H-Soz-u-Kult, 30.10.2012.
- A Man 'Who Fancies Himself Abraham Lincoln': Senator Langer from North Dakota and Civil Rights, in: North Dakota History 76:3 &4 (2011), S. 22-40.
- März 2015 – "Labor, Lynching, and the White South after the Second World War", Southern Labor Studies Association, College Park/Washington D.C.
- 04.04.2014 – "'Crimes in Which Negroes Are the Victim:' Lynching and the Liberal White South after the Second World War,” EAAS, Den Haag.
- 02.10.2013 - "Kalter Krieg und Ordnungskonkurrenz", Vortrag im Rahmen der SFB 923-Lehrerfortbildung "Wissenschaft trifft Unterricht: Aktuelle historische Forschungsergebnisse als Bereicherung für den Geschichtsunterricht. Entwicklung praktischer Unterrichtsbeispiele für die Sekundarstufe I und II.", Uni Tübingen.
- 07.07.2013 - "The Death of 'Judge Lynch': White Southerners and the Last Lynchings after the Second World War", Vortrag im Rahmen der HOTCUS Annual Conference 2013 (Historians of the Twentieth Century United States) in Newcastle, GB.
- 03.07.2013 - "Ordnungszersetzung und Guess Who's Coming To Dinner", Vortrag im Rahmen der Übung "Bedrohten Ordnungen im Film", Uni Tübingen.
- 08.02.2013 - (mit Nicole Hirschfelder) "Multiple Bedrohungen in amerikanischen Rassenbeziehungen nach 1945", Vortrag im Kolloquium des SFB 923, Tübingen.