Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 2/2016: Studium und Lehre

Arabisch für den medizinischen Bereich – ein interkultureller Dialogleitfaden (AmBiD)

Projekt im Rahmen des DAAD-geförderten Programmes „Welcome – Studierende engagieren sich für Flüchtlinge“

Die Abteilung für Orient- und Islamwissenschaft der Universität Tübingen hat gemeinsam mit der Abteilung für Ethnologie und der Abteilung für Psychiatrie und Psychiotherapie im Kindes- und Jugendalter das Kooperationsprojekt Arabisch für den medizinischen Bereich – ein interkultureller Dialogleitfaden (AmBiD) ins Leben gerufen. AmBiD wird im Rahmen des DAAD-Programmes „Welcome – Studierende engagieren sich für Flüchtlinge“ gefördert. Das Projekt möchte besonders auf die neuen Herausforderungen im Kontext von medizinischen Berufen eingehen und richtet sich daher insbesondere an Studierende der medizinischen Fakultät, steht jedoch allen Personen offen, die im medizinischen Bereich tätig sind oder es werden wollen. Beteiligt sind daran Professorin Dr. Heidrun Eichner aus der Orient- und Islamwissenschaft, Professorin Dr. Gabriele Alex aus der Ethnologie sowie Professor Dr. Tobias Renner von der Abteilung Psychiatrie und Psychiotherapie im Kindes- und Jugendalter.

Bereits seit Ende 2015 gibt es an der Abteilung Orient- und Islamwissenschaft das Sprachtandemprojekt für Geflüchtete. Deutschsprachige Studierende mit Interesse am Spracherwerb und studierfähige geflüchtete Personen werden vermittelt, zunächst primär für den arabischen Sprachraum. Dabei steht die mündliche Aktivierung von Sprachkenntnissen im Zentrum. Flüchtlinge können hier ihre Deutschkenntnisse einüben und verbessern, zudem machen sie die Erfahrung, dass ihre eigenen Sprachkenntnisse und ihr regionales Wissen bei den Studierenden hochgeschätzte Kompetenzen sind. Dabei fungieren sie in einer aktiven, gleichwertigen und gleichgestellten Rolle auch als Lehrerinnen und Lehrer für ihre eigene Muttersprache.

Dieses Projekt wird jetzt mit Arabisch für den medizinischen Bereich – ein interkultureller Dialogleitfaden (AmBiD) erweitert. AmBiD besteht aus zwei Modulen: „Arabisch für den Klinikalltag“ und „Interkulturalität im Klinikalltag“. Die Module können sowohl zusammen als auch getrennt belegt werden. Schwerpunkte sind:

Arabisch für den Klinikalltag

Für Studierende der medizinischen Fakultät, vorrangig im klinischen Abschnitt, wird ein Arabischkurs angeboten, der sich besonders an berufsspezifischen Interessen und dem Sprachgebrauch der medizinischen Fächer orientiert. Dieser Sprachkurs soll auch dazu dienen, deutschsprachige Tandempartnerinnen und -partner aus dem Umfeld medizinischer Fächer zu rekrutieren, um den studierfähigen arabischen Flüchtlingen entsprechende Netzwerke anbieten zu können. Die Tandempartnerschaft beinhaltet auch die enge Einbindung der Geflüchteten in die Arabischkurse ihrer Sprachpartnerinnen und -partner.

Interkulturalität im Klinikalltag

Ergänzt wird der Sprachkurs durch ein medizinanthropologisches Blockseminar. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieses Seminars lernen Gesundheit und Krankheit als biosoziale Phänomene kennen, die sich in Zeit und Ort unterschiedlich konkretisieren. Weltbilder und Körperbilder, Ansichten über Hierarchien oder Geschlecht formen das Verständnis und Erleben von Gesundheit und Krankheit. Die daraus gebildeten Erklärungsmodelle nehmen, neben politischen und ökonomischen Faktoren, Einfluss auf die Gesundheitsstrategien von Patienten und Patientinnen. Auch die Medizinerinnen und Mediziner handeln unter dem Einfluss kultur- und milieuspezifischer Vorstellungen.

Mehrwert für Geflüchtete

Den universitären Projektpartnern ist es besonders wichtig, dass die Flüchtlinge in einen fach- und kompetenzbezogenen Austausch integriert werden. Der Hauptbestandteil soll für diese Gruppe die gesprochene Sprache sein. Dies dient insbesondere der Kontaktförderung zu ihren Kommilitonen und Kommilitoninnen sowie im (Uni-)Alltag allgemein und ermöglicht gleichzeitig die damit einhergehende fächerübergreifende Vernetzung. Die Integration arabischsprachiger Geflüchteter in den Studienbetrieb steht dabei im Vordergrund. Darüber hinaus wird besonderer Wert gelegt auf deren enge Mitwirkung für den Erfolg des Erwerbs der arabischen Sprache seitens der deutschsprachigen Mediziner.

Mehrwert für MedizinerInnen

Durch stetigen Aufbau basaler Sprachkenntnisse des Arabischen mit Bezug zum Klinikalltag, wird der Erstkontakt mit den Patientinnen und Patienten erleichtert. Einfache Fragen, Anweisungen und Behandlungsschritte können kommuniziert werden. So wird Missverständnissen vorgebeugt, ein Vertrauensverhältnis kann aufgebaut werden und die Abläufe gewinnen an Struktur und Klarheit und eventuelle Stresssituationen können entspannt werden. Zudem werden sprachspezifische Eigenheiten erlernt, die mehr Verständnis für diese Phänomene schaffen. Dabei ist es nicht Ziel des Programms, Patientengespräche, Diagnosen und Behandlungsmaßnahmen vollständig auf Arabisch bewerkstelligen zu können, sondern auf einem niedrigen und praxisbezogenen Sprachniveau die Arzt-Patient-Beziehung zu vereinfachen. Für den weitergehenden und darüberhinausgehenden Bedarf stehen die Dolmetscherprogramme der Kliniken zur Verfügung.

Rahmenprogramm

In einem auf Austausch und Vernetzung ausgerichteten Rahmenprogramm werden in regelmäßigen Abständen strukturgebende gemeinsame Veranstaltungen organisiert. Bei Tandemstammtischen und Ausflügen (u.a. zu medizinhistorischen Orten in der Umgebung), sowie in Sprechstundenterminen mit Arabischdozent und Koordinatorin wird die Qualität des Programms und dessen Nachhaltigkeit gewährleistet und ferner das multikulturelle Gruppen- und Zugehörigkeitsgefühl gestärkt.

Zukünftig ist die Ausweitung der Kurse auf weitere relevante Sprachen wie Farsi/Dari, Kurdisch und Urdu angedacht. Ebenso ist eine Zusammenarbeit mit der Computerlinguistik in Vorbereitung, weitere Kooperationen sind in Planung.

Ausführliche Informationen

Maximilian von Platen

Kontakt und Anmeldung

Nora Ateia, M.A., Projektkoordinatorin
Abteilung für Orient- und Islamwissenschaft
E-Mail: nora.ateia[at]uni-tuebingen.de
Tel.: +49 (0)7071-29 76705