Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 2/2022: Leute

Bibel und Archäologie verbunden

Zum Tode von Professor Dr. Siegfried Mittmann ein Nachruf von Jens Kamlah

Siegfried Mittmann war ein als Alttestamentler und Biblischer Archäologe national und international hoch geschätzter Gelehrter, der das Biblisch-Archäologische Institut an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen von 1978 bis 1999 geleitet und maßgeblich geprägt hat.

Am 12. Oktober 1933 in Goldau in Westpreußen geboren studierte er evangelische Theologie in Bethel, Tübingen und Kiel, wo er 1959 sein erstes theologisches Examen ablegte. 1960 kam er als Assistent an das neu gegründete Biblisch-Archäologische Institut in Tübingen, dessen Entstehung und Ausbau er von den ersten Anfängen an begleitet hat. In den frühen Jahren seiner Tätigkeit am Tübinger Biblisch-Archäologischen Institut unternahm er Forschungsreisen in den Vorderen Orient, die ihn und seine wissenschaftliche Arbeit prägten. In den Jahren von 1963 bis 1966 lebte er mit seiner Familie in Jerusalem, um von dort aus archäologische Oberflächenuntersuchungen in Nordjordanien durchzuführen.

Mit einer Arbeit zum Deuteronomium habilitierte er sich 1971 für Altes Testament und Biblische Archäologie und wies sich als scharfsinniger und einfallsreicher Forscher aus, dessen Arbeiten sich durch minutiöse Beobachtungen, sorgfältige Analysen und methodische Gründlichkeit auszeichnen. Sein Lebenswerk ist ein eindringliches Zeugnis für den Zusammenhang von alttestamentlicher und archäologischer Forschung, die als eigenständige Wissenschaftsbereiche untrennbar miteinander verbunden und wechselseitig aufeinander bezogen sind.

Siegfried Mittmann übernahm 1978 in der Nachfolge von Arnulf Kuschke den Lehrstuhl für Biblische Archäologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Tübingen, den er bis zum Eintritt in den Ruhestand 1999 innehatte.

Einen besonderen Schwerpunkt der Forschungen Siegfried Mittmanns bildeten seine Ausgrabungen in Hirbet ez-Zeraqon in Nordjordanien. Sie wurden durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft in den Jahren von 1984 bis 1994 als Langzeitprojekt gefördert und erbrachten viele neue und grundlegende Einsichten in die erste urbane Landeskultur Palästinas während der frühen Bronzezeit. Siegfried Mittmann leitete das Projekt gemeinsam mit seinem jordanischen Kollegen Moawiah Ibrahim und gründete in diesem Zusammenhang eine Kooperation zwischen der Eberhard Karls Universität Tübingen und der Yarmouk-University in Irbid (Jordanien).

Ein weiterer Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeiten bestand in der historischen Topographie. Über viele Jahre arbeitete er zusammen mit Wolfgang Röllig und zahlreichen weiteren Tübinger Kolleginnen und Kollegen im Sonderforschungsbereich „Tübinger Atlas des Vorderen Orients“. Dabei entstanden unter anderem grundlegende Karten für die Archäologie und Geschichte Palästinas. Diese Karten flossen in den „Tübinger Bibelatlas“ ein, der in Zusammenarbeit mit Götz Schmitt entstand und 2001 bei der Deutschen Bibelgesellschaft erschien.

Bleibendes internationales Ansehen erwarb sich Siegfried Mittmann vor allem in Jordanien und in Südafrika. Im Jahr 1986 richtete er in Tübingen einen großen internationalen Kongress zur Geschichte und Archäologie Jordaniens aus. 1990 wurde er zum Ehrenmitglied der South African Society for Semitics ernannt und in den Jahren 1996 und 1999 folgten Ehrungen der Universitäten in Bloemfontein und in Stellenbosch. Er starb am 29. April im Alter von 88 Jahren.