Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 4/2022: Leute

Sein Herz schlug für die Geologie – und für Tübingen

Zum Tode von Professor Dr. Frank W. Westphal ein Nachruf von Ingmar Werneburg, Rainer Schoch, Andreas Matzke, Holger Preuschoft und Madelaine Böhme

Am 12. September verstarb nach kurzer Krankheit unser hochgeschätzter Kollege Frank Westphal. Er wurde am 27.06.1930 in Berlin geboren, studierte ein Semester Geologie an der Freien Universität Berlin und danach in Freiburg i. Br., wo er 1956 bei Max Pfannenstiel promovierte. Westphal kam 1957 als Assistent an das Geologisch-paläontologische Institut in Tübingen und habilitierte sich hier 1961 bei Otto Schindewolf. Von 1967 bis 1995 war er Professor für Geologie und Paläontologie in der hiesigen Universität, war zeitweise Dekan und geschäftsführender Direktor der Geologie und stand der Paläontologischen Sammlung der Universität von 1963 bis 1980 als Kustos vor.  

Westphals Forschung konzentrierte sich zunächst auf fossile Salamander. Vielbeachtet sind seine Studien zu ausgestorbenen Meereskrokodilen und zur knöchernen Hautbedeckung anderer Meeresreptilien – Tiere, von denen die Tübinger Paläontologische Sammlung viele einzigartige Exemplare, so wie den „Lustnauer Einzahnsaurier“, besitzt.

Die Geologie Südwestdeutschlands lag ihm besonders am Herzen

In seiner zweiten Schaffensphase führte Westphal intensive Forschungen zu Fossil-Lagerstätten durch und hatte entscheidenden Anteil an der Bewahrung der Grube Messel und der Nusplinger Plattenkalke für die Wissenschaft. Die Geologie Südwestdeutschlands lag ihm besonders am Herzen, einer Region, der er, nicht zuletzt durch seinen Mentor Georg Wagner vermittelt, sein ganzes Leben treu verbunden war. So schlug er mehrere Einladungen an andere Universitäten aus. Viele Diplom-Kartierungen betreute er „im Ländle“ und bis ins hohe Alter begleitete er Diplomarbeiten und Promotionen.

Mit Vorlesungen und Exkursionen zur Geologie Südwestdeutschlands und zur Wirbeltierpaläontologie sowie Übungen zur Gesteinskunde („Schotterkurs“) hat Westphal bei vielen Generationen von Geologie-Studenten einen bleibenden und richtungsweisenden Eindruck hinterlassen. Zahlreiche deutsche Geologie-Professoren berufen sich auf Frank Westphal. Dieser bot unvergeßliche Exkursionen zur Wutach-Schlucht, zu den Vulkanen der Alb und ins Hegau-Gebiet an. Bald mußte aber die Regelung getroffen werden, daß wegen ihrer großen Beliebtheit pro Student jeweils nur eine Exkursion bei Westphal belegt werden durfte. Wer einen Platz ergattern konnte, durfte sich glücklich schätzen.

Seine „Geologie Südwestdeutschlands“ war innerhalb und weit über das Fachgebiet hinaus bekannt und beliebt und die Studenten besuchten die Vorlesung bereits um 8 Uhr in der Frühe: der Alte Hörsaal im Erdgeschoß des Instituts war randgefüllt. Vorschläge, seine Vorlesungen in den viel größeren „Kupferbau“ gleich gegenüber zu verlegen, lehnte Westphal jedoch aus Verbundenheit zu seinem Institutsgebäude (Sigwartstraße 10), das ja auch die Sammlung beherbergt, ab. 

Als langjähriger Kustos der Paläontologischen Sammlung leitete er in den 1970er-Jahren den Umbau zu einem modernen Museum und seine Handschrift ist – sprichwörtlich – noch an vielen Objekten der Sammlung zu erkennen. Persönlich führte er eine umfangreiche Inventarisierung des historischen Fossilmaterials durch. Viele Schulklassen, Vereine und interessierte Bürger haben Westphal noch auf seinen Führungen durch die Ausstellung erlebt: erst durch seine Erklärungen wurde sich mancher seiner eigenen Erd- und Stammesgeschichte bewußt. 

Viele Aufgaben der akademischen Selbstverwaltung spannten Westphal mehrere Jahre intensiv ein: so ist es auch ihm zu verdanken, daß die Tübinger Geowissenschaften heute zu den Top-Einrichtungen ihrer Art in Europa zählen.

Westphal wurden mehrere Ehrungen zuteil. So wurden ein jurassischer Panzerkrebs, Eryma westphali, und ein krokodilartiger Saurier, Mystriosuchus westphali, nach ihm benannt. Er war Ehrenmitglied der Gesellschaft für Naturkunde in Württemberg, für dessen Schwarzwälder Vereinszweig er – mit am Ende insgesamt 100 eingeladenen Vorträgen – die jährliche, sehr gut besuchte Thomastagung organisiert hatte. 

Mit seiner Frau Isolde Westphal-Köpf (*1939) war Frank Westphal seit 1961 verheiratet. Gemeinsam publizierten sie über die Geologie Baden-Württembergs und führten privat und in Vereinen zahlreiche naturkundliche Exkursionen. 1971 gehörten die Westphals mit ihren vier Kindern zu den ersten, die in das gerade errichtete Neubaugebiet „Waldhäuser-Ost“ in Tübingen eingezogen waren. Sie brachten sich mit kreativen Ideen in die Gestaltung des neuen Stadtteils ein. Die Stadt und ihr soziales Umfeld waren den beiden sehr wichtig. Die Westphals engagierten sich in der Friedensbewegung der 1960er- bis 1980er-Jahre. In den 1970er-Jahren setzten sie sich gegen die Planung eines Flughafens im Schönbuch nördlich von Tübingen ein. 

Mit Frank Westphal verlieren die Eberhard-Karls-Universität mit ihrer Paläontologischen Sammlung, die vielen Freunde und seine große Familie einen wertvollen und inspirierenden Menschen, der uns über sein Wirken als Lehrer, Kustos, Institutsmitglied und Wissenschaftler hinaus ein großes Vorbild war.