Uni-Tübingen

Teilprojekt D01: Platonismus und Christentum. Philosophische und literarische Bedrohungskonstellationen in der Spätantike

Abstract

Das Teilprojekt D01 des SFB 923 „Bedrohte Ordnungen“ beschäftigt sich mit der durch das Christentum ‚von außen‘ gegebenen Bedrohung des Platonismus in der Spätantike. Diese soll zunächst am konkreten Beispiel der zwischen 270 und 305 entstandenen Kritik des Porphyrios an den Christen in 15 Büchern untersucht werden. Bereits seit dem 2. Jh. n. Chr. beschäftigen sich griechische Platoniker (z.B. Numenios, Kelsos, Amelios) intensiv mit den Texten und Lehren der christlichen Autoren. War die christliche Religion anfänglich eher für niedere soziale Schichten attraktiv, wird seit dem 2. Jh. n. Chr. ein starker Impetus der sozialen Eliten erkennbar, eine anspruchsvolle ‚christliche Philosophie‘ zu etablieren, die nicht wenige platonische Denkmuster adaptiert oder Methoden der philologischen Textexegese teilt, wofür z. B. das Werk des Origenes (185/56–254) Zeugnis ablegt. Von den Vertretern eines religiösen Platonismus wird die zunehmend philosophischer verhandelte, inhaltlich neuartige christliche Religion als ernstzunehmende Bedrohung der eigenen Philosophie und damit der gesamten paganen Religion, Theologie und Kultur, kurz: ihrer elitären Lebens-, Wissens- und Weltordnung überhaupt gewertet. Dabei spielt, neben den christenkritischen Texten eines Kelsos oder Julian Apostata, das Szenario der christlichen Bedrohung in seiner literarisch-philosophischen Verarbeitung durch den Platoniker Porphyrios eine besonders wichtige Rolle: Die erhaltenen Fragmente aus „Gegen die Christen“ werden erstmals vollständig ins Deutsche übertragen und mit Blick sowohl auf antichristliche Tendenzen und platonisches Bewältigungshandeln, angesichts der erkannten Gefährdung, als auch auf ihre philologischen, philosophischen und theologischen Strategien vor dem Hintergrund ihres sozial-historischen Kontextes kommentiert und interpretiert.

Projektteam

Projektleitung:

Prof. Dr. Irmgard Männlein-Robert

Mitarbeiter:

Dr. phil. Matthias Becker

Fachgebiete und Arbeitsrichtung

Griechische Philologie

Projektbeschreibung

Das Teilprojekt D01 des SFB 923 „Bedrohte Ordnungen“ beschäftigt sich mit der durch das Christentum ‚von außen‘ gegebenen Bedrohung des Platonismus in der Spätantike. Diese soll zunächst am konkreten Beispiel der zwischen 270 und 305 entstandenen Kritik des Porphyrios an den Christen in 15 Büchern untersucht werden. Bereits seit dem 2. Jh. n. Chr. beschäftigen sich griechische Platoniker (z.B. Numenios, Kelsos, Amelios) intensiv mit den Texten und Lehren der christlichen Autoren. War die christliche Religion anfänglich eher für niedere soziale Schichten attraktiv, wird seit dem 2. Jh. n. Chr. ein starker Impetus der sozialen Eliten erkennbar, eine anspruchsvolle ‚christliche Philosophie‘ zu etablieren, die nicht wenige platonische Denkmuster adaptiert oder Methoden der philologischen Textexegese teilt, wofür z. B. das Werk des Origenes (185/56–254) Zeugnis ablegt. Von den Vertretern eines religiösen Platonismus wird die zunehmend philosophischer verhandelte, inhaltlich neuartige christliche Religion als ernstzunehmende Bedrohung der eigenen Philosophie und damit der gesamten paganen Religion, Theologie und Kultur, kurz: ihrer elitären Lebens-, Wissens- und Weltordnung überhaupt gewertet. Dabei spielt, neben den christenkritischen Texten eines Kelsos oder Julian Apostata, das Szenario der christlichen Bedrohung in seiner literarisch-philosophischen Verarbeitung durch den Platoniker Porphyrios eine besonders wichtige Rolle: Die erhaltenen Fragmente aus „Gegen die Christen“ werden erstmals vollständig ins Deutsche übertragen und mit Blick sowohl auf antichristliche Tendenzen und platonisches Bewältigungshandeln, angesichts der erkannten Gefährdung, als auch auf ihre philologischen, philosophischen und theologischen Strategien vor dem Hintergrund ihres sozial-historischen Kontextes (z. B. Märtyrerkult, Christenverfolgungen zw. 260 und 303 n. Chr.) kommentiert und interpretiert.

Ausgehend von ‚Gegen die Christen‘ werden auch andere relevante Schriften des Porphyrios (z.B. De philosophia ex oraculis haurienda, Vita Plotini und De abstinentia) mit Blick auf antichristliche Tendenzen und platonisches Bewältigungshandeln, angesichts der erkannten Bedrohung durch die christliche Religion, untersucht. Zentral ist dabei das Faktum, dass Porphyrios sich – ganz in der Tradition des philologisch ausgerichteten Mittelplatonismus – auf eine Widerlegung und Entsakralisierung von Texten, nicht etwa nur christlicher Lehren und Glaubensgründe konzentriert: So nimmt Porphyrios eine Umdatierung des alttestamentlichen Buches Daniel vor (vom späten 7. ins 2. Jh. v. Chr.) und erweist damit die darin enthaltenen Prophezeiungen als ‚ex eventu‘. Es wird auszuwerten sein, wie die in den Textbruchstücken zu Tage tretende Argumentation einzuschätzen ist: Handelt es sich um aggressive, systematische Kampfschriften mit Programmcharakter, um Invektiven literarischen Anspruchs oder um verzweifelte Apologetik? Geklärt werden soll ferner, inwiefern sich Emotionen in Porphyrios’ Strategie, die heiligen Schriften der Christen und damit deren Verbindlichkeit zu entsakralisieren, identifizieren lassen. Insgesamt spielt die Frage, ob resp. inwiefern der Kampf des Porphyrios gegen die Bedrohung durch gebildete Christen zur Konstituierung eines weitgehend (ab-)geschlossenen, nunmehr neuplatonischen Philosophie- und Religionssystems führte, eine leitmotivische Rolle.

Projektbezogene Vorträge und Publikationen

Becker, Matthias

Männlein-Robert, Irmgard

Tagungen, Workshops, Konferenzen