Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 1/2019: Leute

Spezialist für die Christianisierung Skandinaviens und die Archäologie der Wikinger

Zum Tod von Professor Dr. Jörn Staecker ein Nachruf von Tilmann Marstaller und Jörg Widmaier

Denn man sollte in der Wissenschaft keine Angst haben, sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen und Grenzen offen zu bekämpfen… (nach Jörn Staecker)

Am 15. Dezember 2018 ist Professor Dr. Jörn Staecker im Alter von 57 Jahren verstorben. Mit ihm verlieren die Universität Tübingen, die deutsche Archäologie und die europäische Mittelalterkunde einen international anerkannten Forscher und erfahrenen Hochschullehrer.

Jörn Staeckers berufliche Karriere begann bereits 1994 mit der Übernahme der Lehrstuhlvertretung für Mittelalterarchäologie an der Universität Lund, die er von 1998 bis 1999 zudem als gewählter stellvertretender Institutsdirektor mit großem Engagement ausfüllte. Es entstand eine beachtliche Anzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen, die sein Renommee als Spezialist für die Christianisierung Skandinaviens sowie die Archäologie der Wikinger weit über seinen Tod hinaus prägen werden. Staecker blieb jedoch nicht nur ein Kenner für die Archäologie des europäischen Nordens, seine Begeisterung für neue Fragestellungen und Methoden und seine Offenheit bezüglich scheinbar festgeschriebener Disziplingrenzen trieben ihn als Forscher stets voran. Im Jahr 2001 legte er seine Habilitationsschrift zur Mittelalterarchäologie an der Universität Lund vor, die als eine interdisziplinäre Arbeit an der Grenze zwischen Archäologie, Geschichtswissenschaft und Kunstgeschichte zu verstehen ist: „Dialog mit dem Tod – Die hoch- und spätmittelalterliche Bestattungssitte und Grablege Südskandinaviens.“ Nicht erst mit dieser Arbeit zeigte Staecker das Potential interdisziplinärer Forschung unter Einbezug neuerer Kulturtheorien auf und leistete damit zugleich einen grundlegenden Beitrag zur Entwicklung der Historischen Archäologie.

Im Jahr 2005 folgte der Ruf auf eine Professur für Historische Archäologie am Institut für Archäologie und Osteologie der Gotland University. 2008 wurde er schließlich Lehrstuhlinhaber der Archäologie des Mittelalters am Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters der Eberhard Karls Universität Tübingen. Seither hat er als Professor ebenso effizient wie erfolgreich zahlreiche Forschungsarbeiten und -projekte initiiert wie geleitet und als akademischer Lehrer mehrere Generationen an Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern ausgebildet.

Als Mensch zeichneten Jörn Staecker seine ausgeprägte Bodenhaftung, seine unangepasste Persönlichkeit und vor allem der offene Umgang mit seinen Schülerinnen und Schülern aus. Ein Blick in das Vorwort seiner Doktorarbeit verrät einiges über den begeisterten Forscher, erfolgreichen Netzwerker und umsorgenden Familienvater. Seine Sicht auf die Dinge, die oft genug einen Wechsel gewohnter Perspektiven voraussetzte, wird künftig nicht nur in der Tübinger Forschung fehlen.

Der Verein zur Förderung der Archäologie des Mittelalters Schloß Hohentübingen und das Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters werden Professor Dr. Jörn Staecker stets ein ehrendes Gedenken bewahren. Wir trauern um den Mittelpunkt unserer Abteilung. Unsere Anteilnahme gilt seiner Frau und seinen Kindern.