Dozent: Prof. Dr. Rainer Berkemer
Ziel dieses Kurses ist es, wesentliche Begriffe aus der volkswirtschaftlichen Theorie zu klären, damit dann im weiteren Verlauf auch aktuelle wirtschaftspolitische Themen von den Kollegiaten kompetent diskutiert werden können.
Im ersten Semester werden aus den beiden Bereichen der VWL, der Mikro- sowie der Makroökonomie, ausgewählte Kapitel aus dem Lehrbuch von Peter Bofinger behandelt. Damit kann ein Verständnis der Arbeitsteilung sowie der grundsätzlichen Funktionsweise von Märkten erreicht werden. Den Marktpreisen, die eine Signal- und Anreizfunktion haben, kommt eine Schlüsselrolle in der Mikroökonomie zu. Aus dem Bereich der Makroökonomie sind zunächst die Kapitel zu betrachten, die eine Definition der Zielgrößen vornehmen. Was ist das Bruttoninlandsprodukt (BIP) und wie kann es berechnet werden? Zentral ist das Verständnis des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts. Erst wenn Begriffe wie Leistungsbilanz, Handelsbilanz, Kapitalbilanz, etc. sauber definiert sind, haben wir eine verlässliche Grundlage, um später etwa die Staatsschuldenkrise und Ungleichgewichte im Euroraum zu thematisieren. Der aktuellen Situation geschuldet, wird auch Inflation ein Thema sein. Um aber die Zentralbankpolitik der 2010er-Jahre nachzuvollziehen, ist es gut zu wissen, dass auch das Gegenteil (eine Deflation) nicht unproblematisch ist.
Nach je zwei Theorie-Sitzungen können dann einzelne Konzepte kritisch hinterfragt werden: Sind Markteingriffe (etwa Gaspreisdeckel oder Mietenbremse), die richtige Antwort, oder was würden Ökonom:innen eher empfehlen. Auch schon vor der Corona-Pandemie war die Wachstumskritik ein Thema: Muss das BIP eigentlich immer weiterwachsen? Welche Alternativen gäbe es? Was würde mit den ganzen Schulden geschehen, wenn die Wirtschaft nicht immer weiterwächst? Auch umweltökonomische Fragestellungen, etwa ob CO2 besteuert werden soll oder ob CO2-Zertifikate die bessere Alternative sind, werden diskutiert.
Im zweiten Semester befassen wir uns zunächst mit Finanzmärkten auf der Grundlage eines Buches von Admati und Hellwig. Dabei ist dringend zu klären, was Banken von anderen Unternehmen unterscheidet. Warum ist für diese das Arbeiten mit sehr viel Fremdkapital (Ökonomen sprechen vom „Leverage“- oder Hebel-Effekt) so besonders relevant? Müssen Banken so hoch verschuldet sein oder wollen sie dieses nur – und wenn ja, warum? Und was folgt daraus für die Stabilität des Finanzsystems?
Das Thema Schuldenbremse wird auch nicht zu vermeiden sein. Europaweit haben als Reaktion auf die Corona-Pandemie viele Staaten bewusst massive Defizite in Kauf genommen. Zum anderen halten fast alle Geschäftsbanken Staatsanleihen, weil dies vermeintlich „sichere Papiere“ sind während umgekehrt die Staaten wieder für Banken garantieren. Muss jetzt möglichst schnell zur „Normalität“ zurückgekehrt werden – aus deutscher Sicht Schulden zurückfahren – oder verhindern Schuldenbremsen notwendige Investitionen in die Infrastruktur.
Weitere interessante Fragen könnten sein, wie die Megatrends Globalisierung, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz die Wirtschaft und die Arbeitswelt der Zukunft prägen werden. Gegebenenfalls behandeln wir auch tagesaktuelle Themen, wenn es Bezug zur Ökonomie gibt. So kann z.B. Protektionismus schnell zu einem massiven Gegentrend werden – etwa wenn geopolitische Verwerfungen das Verhältnis USA/China weiter verschärfen.
Referenzen:
Bofinger, Peter: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre: Eine Einführung in die Wissenschaft von Märkten, 5. aktualisierte Auflage, München 2020.
Admati, Anat & Hellwig, Martin: The bankers' new clothes : what's wrong with banking and what to do about it, Princeton N.J. 2013.
Höfgen, Maurice: Mythos Geldknappheit : Modern Monetary Theory oder warum es am Geld nicht scheitern muss, Stuttgart 2020.
Ergänzend:
Coase, Ronald: The Problem of Social Cost, Journal of Law and Economic, 1960.
Galbraith, John Kenneth: Die Entmythologisierung der Wirtschaft: Grundvoraussetzungen ökonomischen Denkens, Wien 1988.
Heilbroner, Robert: The Making of Economic Society, 11th edition, Prentice Hall 2001.
Minsky, Hyman P.: Stabilizing an unstable economy, New York 2008.