Liu greift zum Stift und zeichnet das bekannte Sechseck. “Dieses Motiv ist überall in der organischen Chemie”, sagt er, “Das ist die quintessenzielle Struktur der Aromatenchemie.” Liu hat die synthetisch-technischen Möglichkeiten den klassischen Benzolring zu verändern. Zwei der Kohlenstoffatome werden durch ein Bor- und ein Stickstoffatom ersetzt. Das schafft ein sogenanntes Azaborin Molekül mit vielen neuen unerforschten Eigenschaften, das beispielsweise in einer Vielzahl verbundenen Exemplaren als organischer Halbleiter fungieren könnte. “Mit dem Austausch zweier Kohlenstoffatome schaffen wir einen neuen chemischen Raum, ein synthetisches Werkzeug, mit dem man neue Pharmazeutika oder andere Anwendungen in Materialwissenschaften schaffen könnte” sagt Liu begeistert.
Liu erforscht zusammen mit Holger Bettinger die Merkmale der neu geschaffenen Moleküle mittels der seltenen Matrixisolations Ausrüstung, die in Tübingen zur Verfügung steht: Die zu untersuchende Substanz wird auf eine hohe Temperatur erhitzt, die daraus ergebende reaktiven Zwischenstufen dann auf einer kalten Scheibe „ausgefroren“. Dieser Prozess ermöglicht es den Wissenschaftlern, die sonst nicht isolierbaren Zwischenstufen festzuhalten, zu isolieren und spektroskopisch zu analysieren. Dabei entsteht eine synergetische Zusammenarbeit: „Heute ist ein Paket von meiner Forschungsgruppe am Boston College angekommen. Man hat Derivate von Bor-Stickstoff-Verbindungen gemacht, die hier von Tübinger Studierenden analysiert werden.“