Im Jahr 2018 hat die Bewährungs- und Gerichtshilfe Baden-Württemberg (BGBW) zur Betreuung ihrer Klientinnen und Klienten ein Instrument zur Sozialen Diagnostik, das sogenannte Ressourcen-Risiken-Inventar (RRI), eingeführt. Das RRI wurde auf der Basis verschiedener theoretischer Modelle über den Ausstieg aus der Straffälligkeit und die Bedingungen für eine gelingende Resozialisierung entwickelt. Es beruht auf einer Risikoeinschätzung (vgl. Pruin 2019, S. 113 ff.) und fungiert als Instrument zu einer quantitativen Erfassung verschiedener (kriminogener) Faktoren, anhand derer sich die weitere Betreuung der Klientel im Zeitraum ihrer Unterstellung bei der BGBW ausrichtet. Anhand eines durch das RRI ermittelten „grünen“, „gelben“ oder „roten“ Orientierungswerts über vorhandene Ressourcen, Bedarfe und kriminogene Faktoren soll die anschließende Begleitung der Klientinnen und Klienten an entsprechende individuelle Dispositionen im Sinne einer risikoorientierten Bewährungshilfe angepasst werden (vgl. Pruin 2019, S. 124 ff.). Unklar ist bislang, wie Bewährungshelfende mit den Ergebnissen des RRI umgehen, etwa inwiefern diese Ergebnisse die folgende Implementierung bzw. Nicht-Implementierung bestimmter Interventionen beeinflussen. Damit verbunden ist die Frage nach der Wirkung und Effizienz sozialarbeiterischer Bemühungen für die Resozialisierung und Legalbewährung der unterstellten Personen.
Im Rahmen des vorliegenden Forschungsprojekts soll daher untersucht werden, welche Interventionen von den Bewährungshelfenden im Anschluss an die Auswertung des RRI-Instruments wann, wie und warum (nicht) vorgenommen werden. Dabei stehen insbesondere die individuellen Entscheidungsprozesse der Bewährungshelfenden im Fokus der Studie. Hierfür werden in einem qualitativen Forschungsdesign unter Zuhilfenahme der Grounded Theory-Methodologie Akten von Klientinnen und Klienten ausgewertet. Zusätzlich sollen einzelne leitfadengestützte Interviews sowohl mit Bewährungshelfenden als ggf. auch mit Klientinnen und Klienten durchgeführt werden. Um vertiefte Einblicke in die Interaktionen zwischen Bewährungshelfenden und den ihnen unterstellten Personen zu erhalten, sind zudem teilnehmende Beobachtungen der Interaktion beider Akteure vorgesehen.
Pruin, I (2019). Programme, Checklisten, Desistance – Soziale Arbeit mit Straffälligen, quo vadis? Bewährungshilfe – Soziales, Strafrecht, Kriminalpolitik. 66 (2), S. 113-131.