Zum einen werden Expert*inneninterviews mit Personen durchgeführt, die sich in ihrem Berufsalltag aus verschiedenen Perspektiven mit (versuchten) Tötungsdelikten an Frauen auseinandersetzen. Interviewt werden Ermittlungspersonen der Polizei, Staatsanwält*innen, Richter*innen sowie Fachanwält*innen für Strafrecht, die auch als Nebenklagevertreter*innen aktiv sind Zur Einbindung und Abbildung der Opferperspektive sind Interviews mit Vertreter*innen von verschiedenen Frauen- und Opferschutzverbänden sowie psychosozialen Prozessbegleiter*innen vorgesehen.
Die zweite empirische Grundlage des Forschungsprojekts bildet eine ausführliche Analyse von Strafverfahrensakten zu (versuchten) Tötungsdelikten an Frauen. Tötungsdelikte gehören zu den Straftaten, in denen am umfänglichsten ermittelt und das Geschehen aus vielfältigen Perspektiven nachgezeichnet wird. In der Regel werden in den Akten zu Tötungsdelikten neben Aussagen von Beschuldigten, Zeug*innen, von (überlebenden) Betroffenen, Stellungnahmen von Verteidiger*innen und Nebenklagevertreter*innen ausführliche Berichte bzw. Vermerke von Polizeibeamt*innen, Staatsanwält*innen und Gutachten von Sachverständigen vorhanden sein. Die meisten Akten enthalten daher umfangreiche Informationen über die Art der Tatausführung, über Täter-Opfer-Interaktionen unmittelbar vor der Tat (z. B. Chatprotokolle) und über die Beziehungsvorgeschichte (einschließlich einer vorausgegangenen Gewalttätigkeit des Täters/der Täterin). Erfolgen soll eine Auswertung aller Strafverfahrensakten von Fällen mit weiblichen Opfern, die als (versuchte) Tötung oder Körperverletzung mit Todesfolge (§§ 211, 212, 213, 227, ggf. 22, 23 StGB) im Verlaufe eines Jahres in den Bundesländern Baden-Württemberg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen sowie in ausgewählten Städten Nordrhein-Westfalens Eingang in die PKS gefunden haben. Das Auswahlverfahren über die PKS bringt die Limitation mit sich, dass nur Fälle untersucht werden können, bei denen das Opfer von der Ermittlungsbehörde als Frau eingestuft wird. Fälle männlich registrierter Opfer, deren gelebtes oder dargestelltes Geschlecht weiblich ist (z. B. Transsexuelle), werden demnach nicht berücksichtigt. Mit den vier gewählten Bundesländern wird ca. ein Drittel der deutschen Bevölkerung abgebildet.
Thematisch geht es bei der Aktenanalyse um die Erfassung der Indikatoren geschlechtsmotivierter Tötungen, die Beschreibung des sozialen Kontexts und der Tatvorgeschichte, die Herausarbeitung möglicher Tatmotive und die rechtliche Bewertung der Tat unter besonderer Berücksichtigung geschlechtsmotivierter Ursachen und Hintergründe. Die Erfassung im teilstandardisierten Analyseraster und die qualitative Zusammenfassung des Falles bilden die Grundlage für eine Systematisierung der unterschiedlichen Konstellationen geschlechtsmotivierter Frauentötungen. Mit Fallvergleichen, Fallkontrastierungen und Typenbildungen soll so der Forschungsgegenstand Femizid erschlossen werden.