Baden-Württemberg hat gewählt – ein Blick auf die Ergebnisse der AfD bei den Wahlen zum Europäischen Parlament

Stand 11. Juni 2024, 11:23 Uhr
Bundesweit kommt die extrem rechte, in weiten Teilen offen völkisch-nationalistische und vom Bundesamt für Verfassungsschutz gerichtsfest als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestufte Alternative für Deutschland (AfD) (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aktenzeichen: 5 A 1216/22, 5 A 1217/22, 5 A 1218/22) auf 15,9% der Stimmen und legt damit um 4,9 Prozentpunkte zu. Damit erhält die AfD 15 Mandate für das EU-Parlament, vier mehr als 2019 (Quelle: https://www.bundeswahlleiterin.de/europawahlen/2024/ergebnisse/bund-99.html, Stand 10.6.2024, 14:20). Die AfD ist damit neben dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) (+6,2 Prozentpunkte) und der Union (+1,2 Prozentpunkte) die Gewinnerin der Wahlen zum Europäischen Parlament.
In Baden-Württemberg legt die AfD im Vergleich zu 2019 um 4,7 Prozentpunkte zu und kommt auf 14,7%. Damit liegt sie 1,2 Prozentpunkte unter dem Bundesergebnis.
Betrachtet man die Ergebnisse auf Land- und Stadtkreisebene, so ist die CDU mit Ausnahme der Stadtkreise Heidelberg, Karlsruhe und Freiburg die jeweils stärkste Kraft. In diesen drei Stadtkreisen hat das Bündnis 90/Die Grünen jeweils die meisten Stimmen mit 26,8% (HD), 23,3% (KA) respektive 30,3% (FR) erhalten. Die AfD ist in keinem Landkreis stärkste Kraft.
Werden die Ergebnisse der Wahl zum Europäischen Parlament auf kommunaler Ebene aufgeschlüsselt, so zeigen sich drei klare Trends:

  1. Die AfD legt in allen Kommunen außer in Ibach (Kreis Waldshut) zu. Dort verliert die AfD 2,83 Prozentpunkte. Der maximale Zugewinn liegt bei 16,22 Prozentpunkten in Zimmern unter der Burg. Hinzu kommt, dass sie in Spiegelberg (Rems-Murr-Kreis) mit 29,7% sogar die stärkste Kraft wurde.
  2. Bündnis90/Die Grünen büßt in allen Kommunen Stimmen ein. Minimal verliert es 0,36 Prozentpunkte (Grömbach), maximal 20,45 Prozentpunkte (Böllen). War die Partei bei den Wahlen zum Europäischen Parlament 2019 noch in 51 Kommunen die stärkste Kraft, so ist sie dies 2024 nur noch in insgesamt sieben Gemeinden, in denen sie die meisten Stimmen erhielt. Neben den schon genannten Stadtkreisen Heidelberg, Karlsruhe und Freiburg sind dies Konstanz, Tübingen, Merzhausen und Au. Letztere beiden liegen in unmittelbarer Nähe zu Freiburg. Damit verlieren die Grünen in der Fläche ihre Bedeutung.
  3. Die CDU ist in 1093 Gemeinden die stärkste Kraft. 2019 war sie es in „nur“ 1048.  Auch wenn sie in einigen Kommunen zum Teil deutliche Verluste (maximal 14,45 Prozentpunkte in Untermarchtal) erlitt, konnte sie insgesamt 1,2 Prozentpunkte zulegen, den höchsten Zuwachs hatte sie in Seekirch mit 12,99 Prozentpunkten.

Schon bei der Bundestagswahl 2021 bildeten Bündnis90/Die Grünen und die AfD als Gegenspieler die gesellschaftliche Konfliktlinie zwischen Kosmopolitismus und Kommunitarismus (zu den Strukturdaten) deutlich ab. Jetzt verlieren die Grünen bei der Wahl zum Europäischen Parlament in der Fläche an Bedeutung und die AfD ist dort stark, wo die Grünen schwach sind. Dieser Zusammenhang ist mit r=-,706 statistisch höchst signifikant. Damit verschiebt sich die Konfliktlinie zugunsten der AfD. Und anhand der kartographischen Darstellung der Gewinne und Verluste der AfD und der Grünen zeigt sich erneut jene Polarisierung zwischen urbanen und eher ländlichen Räumen, die auch schon in der Bundestagswahl 2021 sichtbar wurde. Es sind erneut insbesondere die Universitätsstädte und ihr Umland, die besonders resilient gegen die AfD sind und in denen die Grünen im Vergleich weniger Stimmen einbüßen.

 

Europawahl 2024: Wahlergebnisse der AfD mit Fokus auf die Universitätsstädte in Baden-Württemberg

Die Karte zeigt anhand der Ergebnisse der AfD auf Gemeindeebene, in welchen Regionen die AfD wie abgeschnitten hat. Je dunkler die Farbtöne, desto höher die Wahlergebnisse der AfD bei der Wahl zum Europäischen Parlament 2024. Je heller die Farbgebung, desto niedriger die Wahlergebnisse. Besonders hervorgehoben durch die weiße Umrandung sind jeweils die Universitätsstädte und deren Umland. Dabei zeigt sich, dass die AfD in den eher globalisierten, kosmopolitisch orientierten und universitär geprägten Zentren und deren unmittelbarem Umland deutlich schlechter abschneidet als in den eher ländlichen Räumen Baden-Württembergs. Besonders stark ist die AfD im Nord- und Ostschwarzwald, auf der Baar, auf der Schwäbischen Alb, im Rems-Murr-Kreis, im Schwäbischen Wald, im Unterland und in der Hohenlohe. Die hier betrachteten Ergebnisse der AfD weisen in die gleiche Richtung wie unsere Analyse der Bundestagswahlen 2021: Die Wahlergebnisse der AfD spiegeln die gesellschaftliche Konfliktlinie zwischen Kosmopolitismus und Kommunitarismus räumlich wider.

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Europawahl 2024: Veränderungen der Wahlergebnisse der AfD im Vergleich zu den Wahlergebnissen von 2019 mit Fokus auf die Universitätsstädte in Baden-Württemberg

In der Karte sind die Stimmengewinne der AfD bei den Wahlen zum Europäischen Parlament in Prozentpunkten klassiert abgebildet. Die AfD legt in 1100 der 1101 Kommunen zu. Allerdings verteilen sich die Zuwächse entlang eines räumlichen Musters, das auch bei den absoluten Wahlergebnissen zu sehen ist: In den eher globalisierten, kosmopolitisch orientierten und universitär geprägten Zentren und deren unmittelbarem Umland kann die AfD deutlich weniger Stimmenzugewinne verbuchen als in den eher ländlichen Regionen, in denen sie ohnehin bereits im Vorfeld vergleichsweise stärker war. Hier liegen die Zugewinne fast durchgehend unter 5 Prozent. Im Nord- und Ostschwarzwald, auf der Baar, auf der Schwäbischen Alb, im Rems-Murr-Kreis, im Schwäbischen Wald, im Unterland und in der Hohenlohe hingegen kann die AfD fast durchgehend 5 bis 10 Prozentpunkte, zum Teil auch deutlich mehr zulegen.

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Europawahl 2024: Veränderungen der Wahlergebnisse der Grünen im Vergleich zu den Wahlergebnissen 2019 mit Fokus auf die Universitätsstädte in Baden-Württemberg

Der große Verlierer bei den Wahlen zum Europäischen Parlament ist die Partei Bündnis90/Die Grünen mit einem flächendeckenden Zustimmungsverlust. Teilweise büßt sie bis zu 15 Prozentpunkte ein. War sie bei den Wahlen 2019 noch in 51 Kommunen die stärkste Kraft, gelingt ihr dies 2024 in nur noch sieben Kommunen: Freiburg, Heidelberg, Karlsruhe, Konstanz, Tübingen, Merzhausen und Au. Letztere beide liegen in unmittelbarer Nähe zur Universitätsstadt Freiburg. Damit verlieren die Grünen in der Fläche ihre Bedeutung. Als Partei, die den kosmopolitischen Pol der gesellschaftlichen Konfliktlinie zwischen Kosmopolitismus und Kommunitarismus repräsentiert, kann sie die Verluste in den urbanisierten und globalisierten Zentren vergleichsweise gering halten, aber gerade in den eher ländlich geprägten Räumen verliert sie deutlich an Rückhalt. Die Kräfteverhältnisse entlang der Konfliktlinie Kosmopolitismus und Kommunitarismus verschieben sich zugunsten der AfD.

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Europawahl 2024: Gemeinsame Verteilung der Veränderungen der Wahlergebnisse der Grünen und AfD im Vergleich zu den Wahlergebnissen von 2019 mit Fokus auf die Universitätsstädte

Verschneidet man die Gewinne und Verluste der Parteien AfD und Bündnis90/Die Grünen miteinander, zeigt sich das gleiche räumliche Verteilungsmuster, das schon bei (den ebenfalls kartographisch dargestellten) Wahlergebnissen der AfD sowie Gewinnen und Verlusten der beiden Parteien erkennbar war. Es findet einerseits eine inhaltliche Polarisierung entlang der Konfliktlinie Kosmopolitismus/ Kommunitarismus statt, die die Teilung in (globalisierte) Zentren und eher ländliche Räume auch politisch weiter verstärkt. Anderseits zeigt sich, dass die Verluste der Grünen nicht automatisch mit starken Gewinnen der AfD einhergehen müssen. Denn auch die CDU – dies geht aus der vorliegenden Karte nicht hervor – konnte in vielen Gemeinden zulegen und damit den demokratischen Konservatismus stärken.

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Kommunalwahlen 2024: Die AfD-Wahlergebnisse in Stadt- und Landkreisen

Die AfD gewinnt bei den Kommunalwahlen 2024 in Baden-Württemberg in allen Landkreisen und kreisfreien Städten, in denen sie antritt, Stimmen dazu. Damit setzt sich der schon bei der Wahl zum Europäischen Parlament zu beobachtende Trend auch bei den Kreistags- und Kommunalwahlen in den kreisfreien Städten fort.

Die Wahlergebnisse der Kreistagswahlen und Kommunalwahlen in den kreisfreien Städten am 9. Juni zeigen deutlich einen Zugewinn an Stimmen – und zwar in allen Landkreisen und kreisfreien Städten, in denen die AfD angetreten ist. Mit dem Ergebnis Stadtkreis Pforzheim (21,98 Prozent, 9 von 40 Sitzen) gelingt es der AfD zum ersten Mal in Baden-Württemberg, in einem Stadtkreis die stärkste Kraft zu stellen. Die CDU als zweitstärkste Kraft erreichte mit 20,78 Prozent 8 Sitze). Die deutlichsten Stimmenzugewinne sind in Ravensburg (9,73 Prozentpunkte auf 9,73 Prozent - die AfD war vorher nicht angetreten), Tuttlingen (+9,07 Prozentpunkte auf 12,36 Prozent) sowie Ludwigburg (+8,79 Prozentpunkte auf 11,8 Prozent) zu verzeichnen. Nur wenig hinzugewinnen konnte die AfD in den kreisfreien Städten Heidelberg (+0,53 Prozentpunkte auf 5,55 Prozent), Freiburg (+0,93 Prozentpunkte auf 4,54 Prozent) und Stuttgart (+2,19 Prozentpunkte auf 8,28 Prozent).

Die schon bei der Bundestagswahl 2021 und der Wahl zum Europäischen Parlament beobachtbaren regionalen Unterschiede bestätigen sich auch hier: Es sind vor allem die kosmopolitisch geprägten Universitätsstädte sowie ihr Umland (vgl. insb. der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald mit einer Zunahme von 2,69 Prozentpunkten auf 7,57 Prozent), in denen die AfD mit ihren extrem rechten, völkisch-nationalistischen Positionen wenig erfolgreich ist.

Diese Polarisierung zeigt sich auch, wenn wir die Landkreise und kreisfreien Städte mit den höchsten und niedrigsten Gesamtergebnissen betrachten: Ihre besten Ergebnisse konnte die AfD in den kreisfreien Städten Pforzheim (21,98 Prozent) und Heilbronn (15,93 Prozent) sowie dem Zollernalbkreis (16,04 Prozent) erzielen.  In den Universitätsstädten Freiburg (4,54 Prozent), Ulm (5,13 Prozent), Heidelberg (7,55 Prozent) sowie dem universitär geprägten Landkreis Tübingen (4,56 Prozent) erzielte die AfD ihre schlechtesten Ergebnisse.

Statistisch auffällig ist dabei der negative Zusammenhang zwischen Wahlbeteiligung und Stimmenanteil der AfD (r=-0,61; p=,001). Eine geringere Wahlbeteiligung geht mit einem höheren Ergebnis der AfD einher. Die AfD kann also insbesondere in den Kreisen reüssieren, in denen es den anderen Parteien nicht gelingt, ihre potentielle Wählerschaft zu mobilisieren und an die Wahlurnen zu bringen. Kurz: mangelnde Mobilisierung der demokratischen Parteien spielt der extrem rechten AfD in die Hände.

Das wichtigste nochmal in Kürze zusammengefasst:

  1. Die AfD gewinnt in allen Landkreisen und kreisfreien Städten an Stimmen hinzu. Besonders erfolgreich ist sie in Pforzheim, wo sie die stärkste Kraft im Stadtrat stellt.
  2. Es bestätigt sich, dass kosmopolitisch geprägte Universitätsstädte und ihr Umland resistenter gegenüber der AfD sind (siehe Strukturdaten).
  3. Eine geringe Wahlbeteiligung geht mit höheren Ergebnissen der AfD einher. Während die AfD hier ihr Wählerpotential ausschöpft, gelingt dies den anderen Parteien nicht.

 

Kreistagswahl und Stadtratswahl für kreisfreie Städte 2024: Wahlergebnisse der AfD in Baden-Württemberg (Sitzanteil und Sitzveränderung)

Die Karte zeigt die Sitzanteile der AfD in den jeweiligen Kreistagen und Stadträten der Landkreise und kreisfreien Städte in Baden-Württemberg. Die Einfärbung entspricht dabei den erzielten Ergebnissen. Dunklere Einfärbungen entsprechen dabei einem höheren Sitzanteil. Ihr bestes Ergebnis erzielt die AfD in Pforzheim, wo sie nun die stärkste Kraft im Stadtrat stellt (9 Sitze, die CDU erreicht als zweitstärkste Kraft 8 Sitze). Gesondert dargestellt ist der Landkreis Sigmaringen, in welchem die AfD nicht zur Kreistagwahl angetreten ist. Die Tabelle rechts neben der Karte zeigt die genaue Sitzverteilung für die AfD in den jeweiligen Gremien sowie sie Gesamtzahl der dort vorhandenen Sitze. Zudem ist die Veränderung der Sitze, welche an die AfD gingen im Vergleich zur letzten Kommunalwahl 2019 zu sehen. Hierbei ist zu beachten, dass sich die Gesamtzahl der Sitze im Vergleich zu 2019 aufgrund von Bevölkerungsveränderungen zum Teil verändert hat, weshalb die Sitzplatzveränderung nur bedingt aussagekräftig ist.

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Kreistagswahl und Stadtratswahl für kreisfreie Städte 2024: Wahlergebnisse der AfD in Baden-Württemberg - Veränderung des Stimmanteils im Vergleich zu 2019

Die Karte zeigt die Veränderungen des Stimmanteils der AfD im Vergleich zu den Kommunalwahlen 2019 in Prozentpunkten. Eine dunklere Einfärbung der Landkreise und kreisfreien Städten entspricht dabei einem höheren Zugewinn, welcher im Landkreis Ravensburg mit 9,72 Prozentpunkte am höchsten ausfällt. Dabei gewinnt die AfD in allen Kreisen und kreisfreien Städten, in denen sie angetreten ist, an Stimmen hinzu. Lediglich im Landkreis Sigmaringen (pink eingefärbt) ist die AfD nicht angetreten.

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Kreistagswahl und Stadtratswahl für kreisfreie Städte 2024: Wahlergebnisse der AfD in Baden-Württemberg (Stimmanteil)

Die Karte stellt die jeweiligen Stimmanteile der AfD bei den Kommunalwahlen 2024 auf Landkreisebene sowie für kreisfreie Städte dar. Eine dunklere Einfärbung entspricht dabei einem höheren Ergebnis. Das höchste Ergebnis erzielte sie in Pforzheim mit 21,98 Prozent. Dort stellt die AfD im Stadtrat nun die stärkste Partei (sie erhält dadurch 9 Sitze, die CDU als zweitstärkste Partei erhält 8 Sitze). In Sigmaringen (pink eingefärbt) trat die AfD bei dieser Kommunalwahl nicht mehr an. Die Karte deutet an, was in unserer vorhergegangenen Analyse (LINK Strukturdaten) bereits deutlich wurde: insbesondere in Universitätsstädten (bspw. Freiburg, Heidelberg, Ulm) und universitär geprägten Landkreisen (z.B. Tübingen und Breisgau-Hochschwarzwald) erreicht die AFD weiterhin verhältnismäßig geringe Stimmanteile.

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Gerne stellen wir Ihnen die Karten in hoher Auflösung zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns unter: infospam prevention@irex.uni-tuebingen.de