Archaisch-ionische Importkeramik aus Berezan in der Eremitage St. Petersburg

Mitte des 7. Jhs. v. Chr. begannen ionische Griechen die nördliche Schwarzmeerküste zu besiedeln und gründeten zahlreiche Städte und Handelsstützpunkte. Besonders Milet betrieb in archaischer Zeit die Kolonisation des Schwarzmeerraumes, wovon Kulte, Inschriften und Keramik in zahlreichen Niederlassungen zeugen. Viele dieser Städte, die auf dem heutigen Staatsgebiet der Ukraine und Russlands liegen, wurden und werden von Archäologen der St. Petersburger Eremitage erforscht, wo auch ein Großteil der Fundstücke aus diesen Grabungen aufbewahrt wird.

Eine der frühesten und fundreichsten Gründungen Milets ist Berezan, ehemals eine Halbinsel, heute jedoch als Insel im Mündungsgebiet des Borysthenes, des heutigen Dnjeper, gelegen. Zunächst von dem deutschen Archäologen E. von Stern erforscht, ergruben dort in weiterer Folge russische Archäologen über Jahrzehnte Behausungen und Gräber der milesischen Kolonisten bzw. der lokal bereits seßhaften Bevölkerung und verhalfen der Forschung damit zu einer einzigartigen Sammlung archaisch-ostgriechischer Keramik, die selbst den Vergleich mit der Mutterstadt nicht zu scheuen braucht. Mithilfe eines wissenschaftlichen Kooperationsprojektes mit der Eremitage St. Petersburg wird diese Keramik seit mehreren Jahren intensiv erforscht, wobei zunächst naturwissenschaftliche Material- und Herkunftsanalysen im Mittelpunkt standen: die mithilfe der Neutronenaktivierungsanalyse (NAA/Prof. Dr. H. Mommsen; Institut für Kern- und Strahlenphysik des Helmholtz-Institutes der Univ. Bonn) gelungene Identifikation einer bislang unbekannten ionischen Filialwerkstatt am Hellespont war die überraschende und unerwartete Folge dieser Arbeiten.

Mit der Vorbereitung der systematischen und umfassenden Vorlage aller Gefäße und Keramikfragmente (es handelt sich um mehrere tausend Stück) in Photographie, Zeichnung, Einordnung und Interpretation erreicht dieses Projekt nun seine abschließende Phase: Im Rahmen dieses speziellen Teilprojektes wird die archaische Keramik, die in ionischen Städten hergestellt und weiter nach Berezan und den gesamten Schwarzmeerraum verhandelt wurde, dokumentiert und für die Publikation aufbereitet. Erstmals findet damit nicht nur ein enger wissenschaftlicher Austausch zwischen ionischer Mutterstadt und einer ihrer wichtigsten Kolonien statt, sondern wird auch das gesamte Fundspektrum aus einer solchen milesischen Niederlassung im Schwarzen Meer erschöpfend vorgelegt. Dies geschieht im Rahmen der eigens gegründeten Reihe `Borysthenes-Berezan´, von der bereits die ersten beiden Bände erschienen sind.

Verantwortlicher:
Prof. Dr. Richard Posamentir

Mitarbeiter:
Dr. S. Solovyov (Projektleiter Eremitage; Herausgeber der Reihe), L. Balandat (Universität Tübingen)

Bisher erschienene Publikationen: