Prof. Dr. Jörg Robert

C06: Transformationen dämonischer Illusion – Traum, Halluzination, Phantasmagorie

Projektleiter: Prof. Dr. Susanne Goumegou (Romanistik), Prof. Dr. Jörg Robert (Germanistik, Neuere deutsche Literatur)

Offizielle Homepage zum SFB 1391  Teilprojekt C06 Transformationen dämonischer Illusion

2. Förderphase (2023-2027)
Mitarbeiterinnen: Colline Charli, Lisa Silke Maier

Das Teilprojekt C6 hat in der ersten Förderphase für den Zeitraum von ca. 1550 bis 1650 gezeigt, wie in dämonologischen Traktaten, in der Historia von D. Johann Fausten und auf der französischen Bühne des vorklassischen Theaters die dämonische Illusion zu einer ästhetischen Reflexionsfigur wird. Das Folgeprojekt fragt nun danach, welche Transformationen das Konzept der dämonischen Illusion nach dem Höhepunkt der Hexenverfolgung erfährt.

Heuristisch werden dabei zwei komplementäre, jedoch eng miteinander verschränkte, Transformationen unterschieden: Einerseits kommt es zu einer Externalisierung der dämonischen Illusion in der Apparatur, d. h. in den Laterna magica-Projektionen, die im 18. Jahrhundert in den Phantasmagorien Étienne-Gaspard Robertsons kulminieren. Die Laterna magica wird mit ihren Dämonenprojektionen nicht nur für Drama und Musiktheater bedeutsam, sondern entwickelt sich seit dem 18. Jahrhundert in Frankreich und Deutschland zu einer ästhetischen Reflexionsfigur der Romantik. Auf der anderen Seite kommt es zur Internalisierung der dämonischen Illusion in den Wahrnehmungsapparat. Im psychopathologischen Diskurs des frühen 19. Jahrhunderts mündet dies in den Begriff der Halluzination. Vor diesem Hintergrund können Phantasmagorien als externalisierte Halluzinationen und Halluzinationen als internalisierte Phantasmagorien erfasst werden.

Ziel des Projekts ist es, die Wahrnehmungstäuschung in Traum, Halluzination und Phantasmagorie an der Schwelle zur Moderne als Transformationen der dämonischen Illusion der Frühen Neuzeit neu zu betrachten und nach ihrem ästhetischen Potential zu fragen. Damit gewinnt nicht nur die Suche nach einer ‚anderen Genealogie‘ der Illusion eine neue medien- und diskursgeschichtliche Richtung, sondern es wird auch die Tragfähigkeit des Modells der ,anderen‘ Ästhetik am Umbruch zur Moderne erprobt.
 

1. Förderphase (2019-2023): Augentrug, Traum und Täuschung – Der dämonologische Ursprung der Illusion
Mitarbeiterinnen: Ann-Kristin Fenske; Paula Furrer

Teilprojekt C06 zeichnet nach, wie sich ein Grundbegriff der modernen Ästhetik – „Illusion“ – im Kontext frühneuzeitlicher Dämonologie (‚Hexentheorie’) herausbildet. Seit der Spätantike bezeichnet illusio jenen Augentrug, den Teufel oder Dämonen (genii maligni) im Traum wie im Wachen hervorrufen können. Bereits im 16. und 17. Jahrhundert erfolgt jedoch, parallel zur Aufwertung der Augentäuschung in Kunst und Malerei, eine Verschiebung des Konzepts ‚Illusion’ von der Dämonologie zur Ästhetik (z.B. im Feld der Magia optica). Das interdisziplinäre, germanistisch-romanistische Projekt konzentriert sich auf den deutschen und französischen Sprach- und Kulturraum, da hier aufgrund der im Untersuchungszeitraum (ca. 1550-1650) intensiven Hexenverfolgungen eine rege Produktion und Rezeption dämonologischen Schrifttums einsetzt. Es geht von ausgewählten, besonders wirkmächtigen Traktaten (z.B. Kramer: Hexenhammer, Weyer: De praestigiis daemonum, Bodin: Daemonomania) aus und untersucht, wie zentrale dämonologische Begriffe (z.B. fascinatio, praestigia/ praestigator, suggestio, frz. „illusion“, „tromperie“, „prestiges“, dt. „Verblendung“, „Gaukelspiel“) zu ästhetischen Reflexionsfiguren ausgebildet werden. Zwei fachspezifisch angelegte Arbeitsbereiche, die komplementäre Aspekte und Gattungen untersuchen.
Der romanistische Arbeitsbereich zu Theater, Traum und Illusion in Frankreich konzentriert sich auf das vorklassische Theater (ca 1570-1640), das über ein breites und noch nicht durch die doctrine classique normativ eingeschränktes Spektrum von Darstellungsmöglichkeiten verfügt. Unter Rückgriff auf die Theaterkritik, die sich in den dämonologischen Traktaten manifestiert und das Theater in den Kontext dämonischer Illusion stellt, soll untersucht werden, wie das Theater dämonische Illusion und Traum inszeniert und sich dabei selbst in seinen medialen und gattungsspezifischen Möglichkeiten reflektiert.
Der germanistische Arbeitsbereich zu Illusion und Narration in Deutschland untersucht ausgehend von der Historia von D. Johann Fausten (1587) Wechselwirkungen zwischen dämonologischem Wissen und literarischer Inszenierung in epischen Texten. Solche Wechselwirkungen zeigen sich in fließenden Übergängen zwischen den Textsorten: Während die erzählenden Formen dämonologisches Wissen integrieren, finden sich in den dämonologischen Traktaten vielfach exempla und narrative Formen (bis hin zu regelrechter Novellistik). Gesucht wird hier nach Figuren und Narrationen, in denen Erscheinungen dämonischer Illusion bzw. dämonischer Einwirkung auf Imagination und Traum verhandelt werden.