Institut für Kriminologie

Angriffe auf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler

Erfreuliche Ergebnisse einer Studie an der Universität Tübingen

Problematik

Eine zentrale rechtliche und ethische Voraussetzung für Forschung und Lehre ist, dass Wissenschaftler unbeeinflusst arbeiten können. Dies ist nicht mehr gewährleistet, wenn sie wegen ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit in Forschung oder Lehre angegriffen, also beleidigt, bedroht, psychisch unter Druck gesetzt oder gar körperlich attackiert werden.

Das Thema betrifft auch andere Berufsgruppen, deren Angehörige aus berufsbezogenen Gründen angegriffen werden: Politiker, Polizeibeamte, Richter, insbesondere Familienrichter, und Staatsanwälte, (neuerdings) Ärzte und Pflegende, Feuerwehrleute und Rettungskräfte, Lehrer, Verwaltungspersonal in Behörden und Ämtern, etwa Finanzämtern, Jugend- und Sozialämtern, Arbeitsämtern und Jobcentern.

Ergebnisse

Nach einer Vorerhebung an Kriminologen in Südwestdeutschland und mit Zustimmung der Kommission für Ethik in der psychologischen Forschung der Universität Tübingen wurde das Thema im Oktober 2018 erstmals in einer Online-Befragung bei 828 aktiven Professorinnen und Professoren an der Universität Tübingen untersucht.

Aus der Rücklaufquote (7 %) und den auswertbaren Antworten (n=29) ergibt sich, dass es Angriffe auf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Einzelfällen auch an der Universität Tübingen gibt. Mögliche Gründe für einen Angriff sind der Forschungsgegenstand, insbesondere Forschung und Lehre zu ethisch-religiösen Grenzfragen, Forschungsmethoden (z.B. mit Versuchstieren und Genforschung ) und der Forschungszweck, z.B. eine Nähe zur Rüstungsindustrie. Bedenklich ist, dass 13 Befragte politische Gründe fürchteten, ohne selbst davon betroffen zu sein. Materielle Gründe und Karrieregründe spielen dagegen keine Rolle.

Insgesamt können Professorinnen und Professoren an der Universität Tübingen aber unbeeinflusst forschen und lehren. Insbesondere ergaben sich keine Hinweise auf eine Häufung von Angriffen speziell auf Professorinnen oder auf ausländische Wissenschaftler. Unterschiede in den als gefährdet angesehenen Wissenschaften bestehen praktisch nicht. Hinsichtlich der von Angriffen betroffenen Einrichtungen wurden das Zentrum für Islamische Theologie, das Internationale Zentrum für Ethik in den Wissenschaften und das Zentrum für Genderforschung am häufigsten genannt, gefolgt von der Medizinischen Fakultät. Übereinstimmend sahen die Befragten in einem etwaigen Angriff auf Wissenschaftler einen Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit insgesamt.

Maßnahmen

Als vorbeugende Maßnahmen wurden seitens der Befragten kompetente Ansprechpartner aus dem Kreis der Wissenschaftler und in der Verwaltung gewünscht. Bei Interventionen wurden die Beiordnung eines Rechtsbeistandes/Verteidigers/Anwalts und eine Strafanzeige der Universität genannt. Nachsorgende Maßnahmen, wie Psychotherapie (in schweren Fällen), Supervision und kollegiale Beratung wurden in unterschiedlicher Priorität für wünschenswert gehalten. Wichtig erscheint die Kommunikation des Themas in der Universitätsleitung und in den Selbstverwaltungsgremien der Universität und der Fakultäten.

Kontakt:

Dr. Rüdiger Wulf, Honorarprofessor der Universität Tübingen
Universität Tübingen
Juristische Fakultät
c/o Institut für Kriminologie der Universität Tübingen Telefon +49 7071-29-72021
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