Center for Islamic Theology

Von Pyramiden und Kleinbusabenteuern

Auslandssemester in Ägypten

Von Rabia Özarslan, Leila Younis und Elif Binici

"Nach Ägypten? Im Ernst? Ist es dort überhaupt sicher?". Mit solchen Fragen und dem Hinweis auf die aktuellen Einreisewarnungen des Auswärtigen Amts hat man versucht uns davon abzubringen unser Auslandssemester in Ägypten anzutreten. Viele unserer Kommilitonen und Kommilitoninnen sprangen daher vorzeitig ab und änderten ihr Reiseziel.
Wir drei, Rabia Özarslan, Leila Younis und Elif Binici, blieben standhaft, ließen uns nicht davon abhalten und traten schließlich voller Enthusiasmus diesem Abenteuer entgegen.


Mitte September war es schließlich so weit. Wir waren in Ägypten, genauer gesagt in Kairo angekommen. Empfangen wurden wir zunächst von einer für uns sehr ungewohnten Hitze. Immerhin waren es knapp 40 Grad, mit denen wir anfangs wirklich zu kämpfen hatten. Mit der Zeit und viel Wasser gewöhnten wir uns aber daran und zwar so weit, dass wir zum Ende hin bei 15 Grad sogar mit Winterjacken rumliefen.


Gleich in den ersten Tagen fingen wir an unsere neue Umgebung zu erkunden. Das ohnehin schon sehr lebendige Kairo hatte in diesen Tagen eine besonders feierliche Atmosphäre. Das Opferfest lockte nämlich alle Menschen nach draußen. Kinder rannten fröhlich umher. Jeder hatte seine schönsten Kleider angezogen. Ungewohnt ein ganzes Land ein islamisches Fest feiern zu sehen.

Kairo ist dermaßen facettenreich, sodass wir nicht einmal nach den paar Monaten, die wir dort verbringen durften, ansatzweise behaupten können alles erkundet und in vollen Zügen ausgekostet zu haben.

Zum einen gibt es die einfachen Wohnviertel. An jeder Ecke stößt man dort auf kleine Imbisse, die typisches ägyptisches Essen, wie fool, tameia oder kuschari anbieten. Kuschari hat es uns dabei am meisten angetan. Es ist ein traditionelles Gericht bestehend aus roten Linsen, Reis, kleinen Nudeln und Kichererbsen. Diese Zutaten werden gemischt und später mit Essig, Tomatensauce, Knoblauch und Röstzwiebeln gewürzt. Unglaublich lecker und vermutlich sogar eine Marktlücke in Deutschland. Darüber hinaus gibt es fast in jeder Straße kleine Tante Emma Läden und Cafés, in denen sich die Männer abends meistens Fußballspiele, der sehr beliebten ägyptischen Mannschaften Al Ahly und Al Zamalek, anschauen.

Die Menschen in Ägypten sind äußerst warmherzig und sehr offen, weshalb wir uns dort sehr schnell heimisch fühlten. Unsere ersten Gesprächsversuche hatten wir beispielsweise mit den Nachbarskindern. Sie sprachen extra langsam mit uns, damit wir sie auch ja verstehen und freuten sich unglaublich, wenn wir versuchten arabisch zu sprechen.


Zum Anderen gibt es natürlich reichere Wohngebiete mit großen Villen und Einfamilienhäusern.
Wer nun denkt Ägypten ist nicht modern, täuscht sich gewaltig. Es gibt hier so viele Einkaufszentren, so genannte Shopping Malls oder Einkaufsstraßen, die mit denen in Europa mithalten können, wenn sie sie nicht sogar an Größe übertreffen.
Sämtliche nationale und internationale Marken sind dort vertreten, was bedeutet, dass einem dort an nichts fehlt.

Wer sich nun aber voll dem ägyptischen Flair widmen und die orientalische Atmosphäre verspüren möchte, sollte sich zum Basar Khan al-Khalili begeben. Vor allem abends ein unbeschreibliches Erlebnis.

Obendrein ist Kairo reich an Sehenswürdigkeiten. Die Pyramiden sind das Highlight schlechthin. Der Nil hat einen faszinierenden Anblick. Eine Nilfahrt sollte man bei einem Ägyptenurlaub nicht versäumen. Der Tahrir-Platz, das Ägyptische Museum mit den ganzen Mumien darin, die Islamische Altstadt, das Koptische Viertel, etliche bedeutsame und wunderschöne Moscheen, wie die Moschee des ʿAmr ibn al-ʿĀs , welche den erste Moscheebau auf dem kompletten afrikanischen Kontinent darstellt und noch vieles mehr.


Abgesehen davon ist der Verkehr in Ägypten eine Attraktion an sich. Auf 3 Spuren fahren manchmal 5 manchmal 6 Autos. Auf Schnelligkeit oder die Lautstärke der Hupe kommt es an. Aus Kleinbussen ertönen entweder Koransuren oder ägyptische Musik. Ganz laut versteht sich. Man mag ja meinen es würden sich ständig Unfälle ereignen, nein so ist es aber ganz und gar nicht. Es mag chaotisch für uns erscheinen, für Ägypter ist es allerdings keine große Sache.


Zur Universität sind wir auch täglich mit solchen Kleinbussen gefahren. In die Sektion für islamische Studien in Deutsch, der Al-Azhar Universität. Die Sektion befindet sich auf dem Männer Campus, was zunächst ein wenig einschüchternd für uns war, sich aber später als halb so wild herausstellte.

Die Leiter und jeder einzelne Dozent, Professor, Mitarbeiter, wie auch sämtliche unserer Kommilitonen waren nämlich immer sehr hilfsbereit und standen uns bei jeglichen Problemen mit Rat und Tat zur Seite, sodass wir dort sofort Anschluss fanden.

Das Zentrum für Islamische Theologie in Tübingen und die Sektion für islamische Studien in Deutsch, der Al-Azhar Universität haben leider noch keine anerkannte bzw. offizielle Kooperation. Dies wäre allerdings sehr wünschenswert, da eine Kooperation viele bürokratische Hürden ersparen würde, die uns viel Zeit und Nerven kosteten.

Nicht ganz unseren Erwartungen entsprechend war die räumliche Ausstattung der Universität. Wir hatten sie uns in unseren Vorstellungen viel moderner ausgemalt, als wir sie in Wirklichkeit vorfanden. Wir erfreuten uns aber daran, dass man in Kairo im Gegensatz zu Tübingen viel mehr Platz zur Verfügung hat.


Wir hatten die Möglichkeit die Unterrichtsfächer aller Studienjahre zu besuchen. Diese Angebote sind eigentlich vergleichbar mit denen in Deutschland. Da die Unterrichtssprache auf Deutsch war, hatten wir auch keine größeren Probleme dem Unterrichtsverlauf zu folgen. Es mag sowohl Vorteil als auch Nachteil gewesen sein. Auf der Straße wird kein Hocharabisch gesprochen, sondern ein Dialekt, ägyptisch. So haben wir Dialekt gelernt, jedoch unser Hocharabisch nur teilweise verbessern können. Doch dies soll niemanden davon abhalten an die Sektion zu kommen, denn einerseits wird an einem solchen Angebot gearbeitet und andererseits haben wir auch auf diese Weise unzähliges dazu gelernt.


In Deutschland werden die Unterrichtsfächer meistens als Einführungen benannt. Ziel ist es dabei, einen allgemeinen Überblick in das jeweilige Gebiet zu verleihen. In Ägypten hatten wir manchmal Fächer, die wir auch in Deutschland besucht hatten.
Im Gegensatz zu Deutschland vertieften wir uns aber hier vielmehr in verschiedene Themen, wodurch wir extrem viel an neuem Wissen erlangten und es gleichzeitig eine perfekte Ergänzung zu Tübingen darstellte.


Aufgefallen ist uns außerdem, dass die Studenten sehr wissbegierig und lernwillig sind. Man besucht den Unterricht nicht, weil man muss, sondern weil man wirklich lernen will.
Überrascht waren wir ebenso als wir erfuhren, dass eine große Anzahl dieser Mitstudenten den Koran auswendig konnten. Das war eine, der uns prägenden Erfahrungen, die uns selber auch sehr motivierte.


Die Dozenten tun auch alles, was in ihrer Macht steht, um die Studierenden auf beste Weise zu fördern. So kümmerten sie sich auch um uns. Der Unterricht fand zwar auf Deutsch statt, doch sobald es irgendwelche arabischen Texte oder Verse gab, hieß es: „Rabia, Elif, Leila, lest der Reihe nach vor.“ Auf diese Weise wurden wir in jeglicher Hinsicht unterstützt.


Wir alle drei sind sehr froh unser Auslandssemester in Ägypten bzw. an der Sektion absolviert zu haben und können es nur reinen Gewissens weiterempfehlen. Wir möchten uns an dieser Stelle noch einmal herzlich für die uns entgegengebrachte Gastfreundschaft bedanken und würden uns sehr freuen vielleicht irgendwann ein paar bekannte Gesichter in Tübingen wiederzusehen. شكرا جزيلا