Die einstige Präsenz von eingesetzten Augen in Skulpturen aus Stein wird heute vorwiegend nur noch anhand der leeren Augenhöhlen wahrgenommen. Diese waren mit farbigen Intarsien aus anderem Material gefüllt und erweckten dadurch einen veränderten, viel lebendigeren Eindruck. In der Antike wurde diese äußerst seltene Gestaltungsmethode sehr bewusst eingesetzt. So sind es vor allem römische Idealskulpturen, deren Augen durch eingesetzte Intarsien zum Funkeln gebracht wurden. Dieses Kompositverfahren sowie weitere Bearbeitungstechniken, unter anderem Politur und Farbe, waren das optische Bindeglied, das bei römischen Idealskulpturen die Assoziation zu chryselephantinien Statuen der griechischen Klassik erzeugte und so der Kopie ein „kultbildhaftiges“ Aussehen verleihen konnte.
Neben einer diachronen Analyse der verschieden Aussagen der Technik von der Archaik bis zur Spätantike, möchte ich mich in meiner Dissertation mit den unterschiedlichen Aspekten von Intarsienaugen beschäftigen, u.a. Woher kommen die Vorbilder? Wie lässt sich ihre Wirkung fassen? Sind die eingesetzten Augen eine Kopistenzutat um den beträchtlichen finanziellen Aufwand des Auftraggebers zu verdeutlichen, oder stellt der Einsatz von Augenintarsien ein wichtiges Merkmal dar, welches auf das Original und dessen Materialität verweisen sollte?
Um der einstigen Wirkung von Intarsienaugen näher zu kommen, ist die Untersuchung des Intarsienverfahrens mit ihren materiellen und technischen Möglichkeiten und Grenzen unabdingbar. Für weitere Ergebnisse könnte die detaillierte Erfassung und Analyse der Augenhöhlenmorphologien entscheidende Hinweise geben. Bislang lassen sich die Fassungen der Augenintarsien in vier Kategorien einteilen. Bestimmte Materialien und technische Varianten, wie beispielsweise mit Wimpernbleche, können den Morphologiekategorien zugeordnet werden. Hinzu kommt, dass sich in den Augenhöhlen oft Reste des Klebematerials, durch die geschützte Position, erhalten haben. Um mehr über Inhaltsstoffe und Zusammensetzung zu erfahren, sind bereits erste Testanalysen vorgenommen worden (Dr. C. Berthold, Competence Center Archaeometry Baden-Wuerttemberg (CCA-BW), Universität Tübingen). Anhand der Resultate wären Rückschlüsse auf regionale und chronologische Handwerks- bzw. Werkstatt-Traditionen denkbar.
Trotz der vergleichsweise geringen Materialbasis von momentan über 400 Steinskulpturen, gemessen am Gesamtaufkommen antiker Skulptur zeigt sich gerade bei der Beschäftigung mit dieser Gestaltungsmethode das beträchtliche kulturgeschichtliche Potential von Intarsienaugen.