Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters

Das menschliche Umweltverhalten

Eine Synthese archäologischer, naturwissenschaftlicher und ethnografischer Untersuchungen

Das Projekt wird gefördert von der VolkswagenStiftung im Rahmen des Programms "Nachwuchsförderung in der fächerübergreifenden Umweltforschung".

VolkswagenStiftung

Projektdaten

Leitung: Dr. Thomas Knopf
Wissenschaftliche Mitarbeiter:
- Dr. Monika Doll (Archäozoologie)
- Dr. Nina Petrosino (Archäobotanik)
- Annemarie Gronover M.A. / Karin Frei (Ethnologie)

Laufzeit:
1/2003 - 12/2003 (Pilotphase)
10/2004 - 10/2006 (Hauptphase)

Das Projekt ist abgeschlossen. Die Gesamtauswertung wurde in einer Habilitationsschrift vorgelegt (s.u.).

Projektbeschreibung

Im Mittelpunkt des Projekts steht das Verhältnis ur- und frühgeschichtlicher Menschen zu ihrer natürlichen Umwelt. Im Rahmen eines kulturübergreifend-vergleichenden Ansatzes soll das Umweltverhalten bäuerlicher Gruppen seit dem Neolithikum untersucht werden. Insbesondere wird dabei den soziokulturellen Ursachen der Ressourcennutzung nachgegangen.

Aus archäozoologischen und archäobotanischen Auswertungen archäologischer Ausgrabungen liegen hunderte Einzelinformationen in publizierter Form vor. Es sind vor allem diese Quellen, die dem Archäologen Auskunft über die Art der Nutzung natürlicher Ressourcen geben, z. B. zu Vorlieben für bestimmte Tierarten oder über die besonders intensive oder geringe Verwendung einzelner Nutzpflanzen durch die Bewohner einer Siedlung. Die zahlreichen Aussagen der zoologischen und botanischen Quellen bieten ein lohnendes Potenzial für eine vergleichende Zusammenschau. Dazu werden die Ergebnisse der naturwissenschaftlichen Analysen in einer Datenbankstruktur unter quellenkritischen Gesichtspunkten gesammelt. Eine Einordnung erfolgt anhand vorab kategorisierter "Verhaltensweisen" (z. B. "Nachhaltigkeit", "Veränderung", "intensive/extensive Nutzung" usw.) und der vermuteten Ursachen. Der Zeitrahmen zielt auf bäuerliche Gruppen vom Neolithikum bis in das (frühe) Mittelalter ab; geographisch steht (Mittel-)Europa im Zentrum des Interesses.

Die archäozoologischen und archäobotanischen Quellen liefern in erster Linie ökonomisch orientierte Deutungen für die Ressourcennutzung. Es sind aber kaum Aussagen über die sozialen oder religiösen Ursachen, also den soziokulturellen Kontext des Umweltverhaltens möglich. Dieser dürfte aber in Verbindung mit naturräumlich und klimatisch bedingten wirtschaftlichen Abläufen eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben. Die Archäologie stößt hier an die Grenzen der Interpretation und muss sich daher weiterer Vergleichsmöglichkeiten bedienen.

Völkerkundliche Beobachtungen zum Umgang "einfacher" bäuerlicher Gruppen mit ihrer Umwelt zeigen, in welchem Umfang kulturelle Mechanismen, soziale Normen, religiöse Regeln usw. den Umgang mit der Umwelt begleiten, beeinflussen und steuern. Ähnlich wie für die Archäologie steht auch hier eine hohe Zahl an publizierten Einzelinformationen zur Verfügung. Ihre Sammlung in einer weitgehend ähnlich strukturierten Datenbank dient somit als Vergleichsbasis. Die unter den jeweils selben Verhaltenskategorien aufgenommenen Informationen der Ur- und Frühgeschichte und der Ethnografie werden qualitativ und - wo möglich - quantitativ ausgewertet und einander gegenübergestellt. Es ist davon auszugehen, dass bestimmte ökonomische oder soziale Rahmenbedingungen immer wieder ähnliches Umweltverhalten zur Folge haben. Regelhaft auftretende Gründe für Verhaltensweisen, z. B. religiöse Motive, machen für das archäologisch dokumentierte Umweltverhalten dieselbe Ursache wahrscheinlich. So werden mit Hilfe systematischer ethnografischer Vergleiche neue Interpretationen für das archäologisch erfasste Umweltverhalten ermöglicht. Es können kulturelle Ursachen und die häufig komplexe Verbindung von Umwelt, Wirtschaftsweise und konkretem Verhalten aufgezeigt bzw. wahrscheinlich gemacht werden. Auf diese Weise entsteht ein vollständigeres Bild prähistorischen Wirtschaftens.

Die Auswahl der herangezogenen ethnografischen Fallbeispiele erfolgt dabei nicht nach naturräumlichen Gesichtspunkten. Es geht nicht um eine klimatisch/naturräumliche Ähnlichkeit der Kulturen, sondern um eine den archäologischen Gruppen vergleichbare, weitgehend subsistenzorientierte Wirtschaftsweise.

Die Ethnologie hat sich zudem mit dem Thema Umwelt - im Gegensatz zur Archäologie - umfassend theoretisch auseinandergesetzt. Konzepte, die in der Wirtschaftsethnologie und der Kulturökologie entwickelt wurden, beeinflussen die Deutung ethnographisch dokumentierten Umweltverhaltens und spielen auch bei der archäologischen Interpretation eine Rolle. Auf theoretisch-methodischer Ebene wird weiterhin die Verwendung und Bedeutung ethnografischer Analogien und interkultureller Vergleichsmethoden für die Archäologie im Kontext des Projekts diskutiert.

Literatur zum Projekt bzw. Auswertung (Th. Knopf):

Environment and Change in Archaeology: Remarks from a Cultural-Anthropological Perspective. Ethnogr.-Arch. Zeitschr. 45, H. 4, 2004, 521-530.

Mensch und Umwelt in der Archäologie - Alte Ansätze und neue Perspektiven. Arch. Nachrbl. 10, 2005, 211-219.

Tagungsbericht zur Tagung "Umweltverhalten in Geschichte und Gegenwart - Vergleichende Ansätze aus Geistes- und Naturwissenschaften (Tübingen 30.6.-2.7.2006). AHF-Information 103, 2006. [URL:http://www.ahf-muenchen.de/Tagungsberichte/Berichte/pdf/2006/103-06.pdf].

Umweltverhalten in Geschichte und Gegenwart. Vergleichende Ansätze (Tübingen 2008).

Ressourcennutzung und Umweltverhalten prähistorischer Bauern. Eine Analyse archäologischer und ethnographischer Untersuchungen (ungedr. Habilitationsschrift).