Das geplante Dissertationsprojekt möchte sich mit den Veränderungen und Ausprägungen der Sepulkralkultur im weitesten Sinne durch Reformation und Konfessionalisierung in einem interdisziplinären und interregionalen Rahmen, der zwischen der Mitte bzw. der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts bis in die Zeit um 1700, in einem Teil des oberdeutschen Sprachraumes in Gestalt der alten Diözesen Konstanz, Augsburg und Chur verortet ist, beschäftigen. Neben vorrangig Schrift- und Bildquellen soll auch die materielle Kultur berücksichtigt werden. Kunstgeschichtliche und archäologische Quellen sollen hierzu ebenso einbezogen werden, wie der Umgang mit dem Tod bzw. ganz real mit den Toten innerhalb von Stadt- und Siedlungstopographien.
Speziell die Aufgabe der aus dem Mittelalter tradierten innerstädtischen Bestattungsplätze und die Anlage außerstädtischer Gottesäcker mit all ihren religiös-konfessionellen, sozialen, politischen und mentalitätsgeschichtlichen Implikationen sollen dabei fokussiert und damit der Wandel der Friedhofskulturen und Bestattungssitten näher erforscht werden. Die sich dabei stellende zentrale Frage kreist um die Gewichtung der religiös-konfessionellen und profanen Motivationen innerhalb dieser Vorgänge.
Insbesondere der Reformation wird eine wichtige Schlüsselrolle innerhalb dieser Vorgänge attestiert. So propagierte beispielsweise Martin Luther das Begräbnis extra muros und zwar nicht nur aus theologischen Gründen, sondern primär aus medizinischen. Die Ablehnung der Heiligenverehrung, des Reliquienkultes und des Fegfeuers durch die Reformatoren implizierte zugleich die Wirkungslosigkeit des Fürbittgebetes für die als „Arme Seelen“ bezeichneten Verstorbenen und machte Seelmessen, Jahrtage und jedwede materielle Aufwendungen für das Seelenheil der eigenen wie auch einer anderen Person, obsolet. Eine Bestattung in oder an der Kirche verlor damit ihre theologische Fundierung.
Wie wirkte sich dies auf die Gestaltung der Friedhöfe und das Bestattungswesen aus und wurde auch auf diesem Feld eine „unsichtbare Grenze“ wirksam oder aber eine visuell und real manifestierte Trennlinie zwischen den Konfessionen deutlich? Sind hier charakteristische Merkmale nachweisbar, die typisch für die jeweilige Konfessionskultur und das damit verbundene religiöse Wissen über das Jenseits sind? Wurden die Bestattungsplätze nun jenseits aller religiösen Verbundenheit mit den Toten nach rein pragmatischen Gesichtspunkten angelegt und ergeben sich hier konfessions-spezifische Muster?
„Graduiertenkolleg Religiöses Wissen“