Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters

Grab Herzog Christoph von Württemberg

HERZOG CHRISTOPH – MEHR SCHEIN ALS SEIN?

Protestantischer Heiliger oder rationaler Politiker? Schlachtenscheu oder friedensstiftend? Das Leben von Herzog Christoph von Württemberg ist in den letzten Jahrhunderten immer wieder neu gedeutet worden. Doch wie sah Christoph sich selbst und was verrät sein Grab uns darüber?

Anders als es die preisenden Ausführungen vieler protestantischer Autoren vermuten lassen würden, besticht das Grabmal nicht durch eine Vielzahl religiöser Insignien. Nichts deutet darauf hin, dass vor dem Besucher im Chor der Tübinger Stiftskirche der wahre Reformator des Herzogtums Württemberg liegt. Stattdessen begnügten sich die Zeitgenossen damit, Christoph mit seinen herzöglichen Insignien abzubilden – vor allem die Wappen jener Territorien, die ihm vom Kaiser unterstellt worden waren. Dass dabei die abgebildete Person mehr dem Schein als dem Sein entspricht, zeigt sich bei einer genaueren Betrachtung der einzelnen Grabelemente.

Das Schwert – ein Herrscherinsignium

Ähnlich wie der prunkvolle Harnisch, in den die Grabfigur gehüllt ist, verweist das neben ihr liegende Schwert auf weit mehr als nur Tugendhaftigkeit und Tapferkeit des Verstorbenen im Kampf. Es war ein Sinnbild für Macht, Gerichtsbarkeit und strafende Gerechtigkeit. Gleichzeitig diente es als Zeremoniengegenstand und als Statussymbol.

Das Schwert als Waffe war indessen zu Lebzeiten der im Chor der Stiftskirche bestatteten Herzöge von Württemberg in einem Wandel begriffen: Bereits zu Lebzeiten des Herzogs Christophs wandte man sich zunehmend vom Schwert als der ritterlichen Waffen des Mittelalters ab, wie sie noch auf der Grabplatte von diesem dargestellt sind, und griff auf elegantere Klingen, wie Degen und Rapiere, zurück.

Herzog Christoph hat während seiner Aufenthalte an verschiedenen Höfe eine umfangreiche Ausbildung genossen, zu der, für einen Knaben seines Standes, auch die Ausbildung an der Waffe gehörte. Somit versinnbildlicht das Schwert auch ein Stück seiner Persönlichkeit und ist damit nicht nur eine romantisierende Beigabe für den Toten. Eine handfeste Auseinandersetzung des Herzogs ist nicht überliefert, sodass Christophs Kontakt mit einer solchen Waffe sich auf die Übungsstunden und das Tragen dieser als Statussymbol beschränkt haben dürfte.

Der schlachtenlose Krieger

Nach dem Niedergang des Rittertums zum Ende des Mittelalters gewann im 16. Jahrhundert ein neuer Typus des Kriegers an Bedeutung: der Feldherr. In Anlehnung an die antiken exempla (siehe Bodart, Diane. Feldherr. In: Uwe Fleckner, Martin Warnke, Hendrik Ziegler (Hrsg.). Politische Ikonographie. München 2014. S. 307), die besonders während des Humanismus wieder ins Bewusstsein der Gelehrten und Adligen gerückt worden waren, waren sie fortan die Vorbilder für militärische Tapferkeit, lauteres Verhalten und die Verteidigung des christlichen Glaubens.

Eines ihrer Attribute war unter anderem eine möglichst prachtvolle Rüstung, die sie zu einer lebendigen Statue werden ließ und oft zusätzlich mit antiken Heldenvorbildern verziert wurde. Ein aus Stahl getriebenes Meisterwerk dieser Art war, ähnlich wie die Porträts, nur den mächtigsten Fürsten vorbehalten.

Durch die Zurschaustellung einer solchen Rüstung unterstrichen die Adligen folgerichtig auch ihren Status – selbst wenn dies erst postum geschah und die steinerne Grabfigur das Tragen einer solchen Prunkrüstung vorgab.

Lediglich einen Symbolcharakter hat die Grabfigur des Herzogs Christophs von Württemberg, der durch die Darstellung in einem halben Prunkharnisch, einem sogenannten Küriss-Panzer, die zuvor beschriebenen Tugenden für sich in Anspruch nahm. Militärische Tapferkeit hatte Christoph jedoch nie bewiesen: Zeit seines Lebens hatte er sich von Schlachtfeldern ferngehalten, war gar von einem Feldzug seines Lehnsherrn, Kaiser Karl V., geflohen. Stattdessen verstand er sich darauf aus der Ferne zu Taktieren und zwischen den rivalisierenden Parteien zu vermitteln. Eine Eigenschaft, die Christoph an den verschiedenen Höfen, an denen er in seiner Jugend gelebt hatte, erlernte und die ihm bald europaweit den Ruf eines rationalen Politikers einbrachte.

Heroisierter Lebemann

Dem Ideal des Feldherrn folgend, ist die Grabfigur Christophs als ein idealistisches Bildnis seiner selbst zu verstehen, das nur wenig mit dem wirklichen historischen Erscheinungsbild des Herzogs gemein hat. Im Vergleich mit anderen Abbildungen und Porträts wird deutlich, dass der Verstorbene eher ein kräftig gebauter Lebemann war.

Tatsächlich war Herzog Christoph jemand, der häufig ausschweifende Feste an seinem Hof in Stuttgart feierte und sich damit auch einen Namen machte. Ein regierungsunfähiger Trunkenbold war er jedoch keinesfalls, wie er mit seinem politischen Geschick stets unter Beweis stellen konnte.

Löwe

Der Löwe hat in der mittelalterlichen Symbolik sowohl positive als auch negative Eigenschaften. Zum einen steht er für königliche Macht, Tapferkeit und Stärke. Zum anderen steht er für Gefährlichkeit, den Teufel und die Hölle (wie in „Rachen des Löwen“).

In seinem positivsten Sinne symbolisiert der Löwe sogar die schützende Kraft Gottes. Ein Löwe, der mit seinem Schweif seine eigenen Spuren verwischt, ist Sinnbild für die geheimnisvolle Herkunft Jesu.

Man glaubte, dass der Löwe mit offenen Augen schlafen konnte und durch anatmen seine totgeborenen Jungen am dritten Tag zum Leben erwecken könne. Dieser Aberglaube ist der Grund dafür, dass der Löwe als Symbol der Auferstehung gilt.

Territorialer Anspruch und heraldische Zier

Im Gegensatz zu anderen Fürsten des Heiligen Römisches Reiches bedurfte Herzog Christoph keiner allzu prominenten Präsentation seiner Wappen, die nicht nur juristische Tatsachen, sondern auch politische Forderungen zum Ausdruck bringen konnten: Die ihm unterstellten Territorien waren seit über 200 Jahren in ihrem Kern unverändert geblieben und entsprechend hatte sich auch am viergeteilten Wappenschild der Grafen und Herzöge von Württemberg nichts geändert.

Auf der Grabplatte Christophs ist das große Wappenschild in seine einzelnen Teile aufgeteilt und eher im Randbereich angebracht worden.

In der oberen linken Ecke befindet sich das bereits aus dem 12. Jahrhundert stammende Wappen der Württemberger: die drei übereinander angeordneten Hirschstangen. Bis heute führen beispielsweise der VfB Stuttgart oder die Porsche AG diese Zeichen, um auf ihren Ursprungsort zu verweisen.

Das obere rechte Feld zeigt schwarze und goldene Rauten in diagonaler Anordnung. Die ausgestorbenen Herzöge von Teck führten dieses Wappen bis Graf Eberhard erlaubt wurde, nach dem Kauf der Teck-Territorien, auch das Wappen und den Titel zu führen.

Die zwei Barbenfische auf rotem Grund im unteren rechten Feld gehören zu den württembergischen Besitzungen in Mömpelgard (heute Frankreich: Montpellier) und wurden durch die Heirat Graf Eberhards IV. mit Henriette von Mömpelgard ins Großwappen eingebracht.

Unten links zeigt das Wappenfeld die Reichssturmfahne, die daran erinnern soll, dass die Württemberger das Amt des Reichsbannerträgers innehatten. Es war vor allem eine prestigeträchtige Würde, die aber auch mit Territorien in Markgröningen verbunden war und den Württembergern 1336 verliehen worden war.